EFMA Conference Barcelona – Banking on Innovation

Am 05. und 06. Juni fand in Barcelona die diesjährige Banking on Innovation Konferenz der EFMA statt. Dort stellten über 25 Banken und Unternehmen aus aller Welt aktuell umgesetzte oder in Umsetzung befindliche digitale Innovationen im Retail Banking und ihre Erfahrungen im Innovationsmanagement vor. Nachfolgend sind die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse aus den verschiedenen Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen am Rande der Konferenz zusammengefasst.

Rasante Entwicklungsgeschwindigkeit

Kaum ein Vortrag lässt Zahlen zur rasanten Entwicklungsgeschwindigkeit in der digitalen Welt vermissen. Egal, ob Anzahl registrierter User in verschiedensten Diensten, App-Downloads-/ Nutzung, Tablet-/Smartphone-Verbreitung, Datenmengen oder FinTech-Start-ups: Es ist immer leichter geworden, in kürzester Zeit bislang ungekannte Reichweiten zu erzielen, ganze Geschäftsmodelle/Branchen zu beerdigen und Märkte disruptiv zu verändern. Es bestand Einigkeit, dass diese Veränderungen im Wesentlichen durch mobile Anwendungen getrieben werden. Die Finanzindustrie befindet sich mitten in einer ihrer größten Umbruchphasen und sucht Anschluss sowie einen dauerhaften Platz in der digitalen Welt. Beschleunigte Veränderungen der Kundenerwartungen und -verhaltensweisen (Kommunikation, Vernetzung, Austausch und Ansprüche an Dienstleistungen) sind zentraler Teil des kulturellen Wandels in der B2C-/C2B-Beziehung – Unternehmen müssen daher ungleich schneller auf Marktentwicklungen reagieren. Den meisten Banken fehlte bislang eine Struktur und Kultur, die eine hohe strategische Adaptionsfähigkeit, Flexibilität und Agilität gewährleisten. Innovationsmanagement wird damit zu einer zentralen Herausforderung und Erfolgsfaktor.

Kontextsensitives Banking

Die große Mehrheit innovativer Lösungen im Retail Banking setzt bei Payment-Dienstleistungen an. Immerhin hängen durchschnittlich rund 50% der  gesamten Erlöse am Zahlungsverkehr (Provisionen und Konditionsbeiträge aus Kontokorrentkonto, Sichteinlagen, Karten, Services). Hinzu kommt, dass die jährliche Kunden-Kontaktfrequenz via Online-/Mobile-Banking/Payment im Vergleich zum persönlichen Beratungsgespräch/Filialbesuch ungefähr in der Relation 250:1 steht. Um Anschluss und Relevanz im Alltag der Kunden (zurück) zu bekommen, ist daher das laufende Konto die zentrale  Kontaktschnittstelle. Neben den bereits viel diskutierten PFM-Lösungen (künftig auch zukunftsorientierte PFP-Lösungen mit Szenarien für die Entwicklung der eigenen Finanzsphäre) finden zahlreiche Entwicklungen im Bereich kontextsensitiven Bankings statt. Die Banken möchten in jenem Moment mit Services präsent sein, in dem der Kunde Transaktionen auslöst. Als besonders innovative Banken präsentierten sich die spanische La Caixa Bank und die türkische DenizBank. La Caixa stellt ihren Kunden zielgruppengenau mittlerweile rund 75 Apps zur Verfügung – die jüngsten für Google Glass und verschiedene Smartwatches. La Caixa-Kunden können über 300 verschiedene Transaktionen via App durchführen und werden von 50 unterschiedlichen Alerts gewarnt, hingewiesen und unterstützt. Die Kunden nehmen dies offensichtlich sehr gut an (5% des Neugeschäftes wurde 2013 via mobile abgeschlossen) und geben durchweg positive Rückmeldungen zu den mehr als 2 Mio. Alerts, die La Caixa jeden Monat verschickt – die Kunden fühlen sich in-touch mit ihrer Bank. Brauchte man 2008 noch fast ein Jahr, um 100.000 Kunden adäquat zu erreichen, geschieht dies heute in weniger als 2 Stunden. Ein digitales Ökosystem wird aufgebaut, das zahlreiche finanznahe Services umfasst (Barcodescanning, um Rechnungen zu bezahlen, learn-to-save- und weitere FinEducation-Apps, Ausgaben-Timeline mit Hinterlegung von Fotos und Rechnungen zu Anschaffungen etc.). Die DenizBank verfolgt einen aus drei Elementen bestehenden Omnikanalansatz „keeping the customer connected & engaged“: 1. The Intelligent Multichannel Bank, 2. The socially engaging Bank und 3. The Digital Ecosystem Bank. Die fastpay-App können auch Nicht-Kunden zum Geldtransfer nutzen, Geldautomaten werden mit dem Smartphone bedient, Facebook-Banking, Twitter-Loans und Gamification-Elemente sind neue Experimentierfelder. Viel Energie wird auch in Mobile Banking für SMEs investiert (z.B. „a loan within 24 seconds“, POS-Zahlungssysteme, Rechnungsprozesse und Controlling-Apps).

Kundenbedarf vor Bankprodukt

Erst allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass Banken mit ihren Produkten nicht die Primärbedürfnisse der Kunden bedienen. Niemand will einen Kredit, ein Sparprodukt oder eine Versicherung haben – die Produkte sind nur Vehikel zur Befriedigung der Primärbedürfnisse (Eigenheim,  Absicherung, Vorsorge, Liquidität etc.). Die über verschiedenste off- oder online-Konzepte verfolgte Emotionalisierung der Bankprodukte erscheint vor diesem Hintergrund wenig aussichtsreich. Erfolgversprechender könnten daher die Ansätze sein, die den Kundenbedarf ganzheitlich betrachten. Die Immobilienfinanzierung ist beispielsweise beim Thema Hauserwerb nur ein Mosaikstein auf dem Weg des Kunden vom Bedarf zur Realisierung. Auch hier setzen Banken zunehmend auf die Errichtung von digitalen Ökosystemen, indem Sie die unterschiedlichsten Dienstleister auf einer Plattform aggregieren, um den Kundenbedarf vollständig abzudecken – und mithin eine einzigartige Customer Experience (CX) erschaffen.

Innovation – break out of the box

Die Finanzindustrie gehört traditionell nicht zu den innovativsten Branchen. Vor dem Hintergrund der immensen und rasanten Veränderungen beschäftigen sich die Institute allerdings heute deutlich intensiver mit der Frage, wie sie schneller, innovativer, dynamischer und flexibler werden. En vogue ist derzeit die Gründung oder der Ausbau von think-tanks oder labs, in denen Experimentierfelder geschaffen werden, in denen quer gedacht, gelacht und mit start-up-spirit gearbeitet werden darf. Ganz bewusst werden solche Einheiten außerhalb der bestehenden Governance, Prozesse und Hierarchien aufgebaut vor dem Hintergrund, dass ein Hinterfragen von Geschäftsmodellen und Prozessen aus der eigenen Organisation heraus zäh und problematisch ist. Häufig wird auch für den Aufbau einer digitalen Bank der greenfield-Ansatz gewählt (z.B. soon.fr als Tochter der AXA Banque), um den Prozess nicht bereits zu Beginn mit allen technischen, regulatorischen und mutmaßlich kerngeschäfts-kannibalisierenden Denkbarrieren und Restriktionen zu versehen. Einige sprachen sogar von einem für die Bank sehr produktiven Wettbewerb mit sich selbst bei Gründung einer Digital Bank.

Sehr eingängig war auch das Bild der Rabobank von einem Mega-Container-Schiff als Bild für die bestehende und wenig agile Bank, das der  Digitalisierungswelle zum Opfer fallen könnte und daher gut beraten ist, ein schnelles Pilotboot zu engagieren, das den Weg erkundet, Risiken wie Chancen erkennt und entsprechende Routeninformationen für das Großschiff liefern kann. Eine andere Position wurde von der citibank vertreten. Innovationen sowie trial-and-error-Prinzip sollten nicht zu einer Übung weniger Innovatoren in der Bank werden, sondern die Energie wird über geeignete Formate in die Breite gelenkt, um ein größtmögliches Momentum innerhalb der Bank für Veränderung und Innovation zu schaffen. Wells Fargo, einer der weltweit erfolgreichsten Banken, verfolgt den Ansatz, sehr pragmatische Innovationen kurzfristig umzusetzen: „Solve the customers‘ problems they actually have – not those they could face in five years“. Innovation darf sich daher nicht im theoretisch Machbaren aufhalten, sondern muss auch stets einen betriebswirtschaftlichen Sinn für die Bank haben. „Safety and security are our #1 job. “Our customers and the regulators don’t want „cutting edge“ from us.” Deutlich wurde aber  auch der Mut zum Experiment “Try, fail and adapt. Try something else.“

Der Gründer der britischen Metro Bank, Anthony Thomson, zeigte das Modell der ersten britischen Digital Bank, die er nach seinem Ausscheiden bei der Metro Bank aktuell aufbaut und Mitte 2015 in den Markt bringen will. Die Atom Bank mit Fokus auf Retail und Kleinstgewerbetreibende wird drei  Grundregeln folgen: „differentiated is better than innovated“, „better before cheaper“ und „Revenue before cost“. Technologie ist Innovation, differenziert aber nicht – sie kann von jedem sofort kopiert werden. Das Ziel ist „to be #1 one for customer service and satisfaction.“

Ein 10-Minuten-Video mit einer Zusammenfassung beider Konferenztage von Maarten Korz, Chef-Innovator der Rabobank, findet sich in seinem innoupdate-Blog.

Sprechen Sie uns gerne an!

Thomas O. Klimpke

Partner Office Frankfurt

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