Sustainable Investment – Einfluss des Pariser Klimaabkommens auf die Finanzindustrie

Hintergrund – Pariser Klimaabkommen: Am 12. Dezember 2015 wurde in Paris Geschichte geschrieben, als im Rahmen der knapp zwei Wochen andauernden UN-Klimakonferenz das Pariser Klimaabkommen abgeschlossen wurde. Während das Kyoto-Protokoll nur für einige Industrienationen eine Emissionssenkung vorsah, hatten sich nun fast alle Staaten dazu verpflichtet, die Weltwirtschaft auf klimafreundliche Weise zu verändern.

Als wichtigste Ziele des Abkommens wurden die Begrenzung der Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter 2 °C bzw. idealerweise auf 1,5 °C sowie die Lenkung der globalen Finanzflüsse in nachhaltige Projekte angesehen.

So groß die anfängliche Begeisterung war, so schnell trat – nicht zuletzt aufgrund des Rücktritts der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen – Ernüchterung ein: Gemäß Berechnung der Europäischen Kommission werden jährlich bis zum Jahr 2030 ca. 180 Milliarden Euro an Mehrinvestitionen benötigt, um die Erreichung der Ziele sicherzustellen. Ein Ausmaß, welches vom öffentlichen Sektor allein nicht bewältigt werden kann.

Für mehr nachhaltiges Wachstum kommt es somit auf jeden Einzelnen in der Gesellschaft an, wobei insbesondere der Finanzsektor eine Schlüsselrolle einnimmt. Sind es doch die Kapitalmärkte, welche wichtige Kanäle für die Gewinnung von privatem Kapital darstellen und helfen, Investitionen in jene Sektoren und Tätigkeiten umzuleiten, welche einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Wirtschaft leisten.

Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums der Europäischen Kommission

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Europäische Kommission im Jahr 2016 mit dem Einsatz einer hochrangigen Expertengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen initiiert, welche sich aus 20 führenden Sachverständigen aus der Zivilgesellschaft, dem Finanzsektor, Hochschulen und Beobachtern aus europäischen und internationalen Institutionen zusammensetzte. Im Januar 2018 legten die Experten ihren Abschlussbericht vor, welcher als Grundlage für den Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums der Europäischen Kommission diente. Dieser wurde am 8. März 2018 vorgestellt, wobei drei Ziele verfolgt werden:

  1. Umlenkung von Kapitalflüssen auf nachhaltige Investitionen, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen
  2. Bewältigung von finanziellen Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben
  3. Förderung der Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit

Um diese Ziele zu erreichen, verabschiedete die Europäische Kommission am 24. Mai 2018 ein Maßnahmenpaket, welches in 2019 umgesetzt werden soll. Dieses setzt sich aus den folgenden Aktionen zusammen, welche Banken und Assetmanager, Versicherungen bis hin zu Pensionskassen gleichermaßen betreffen:

  1. Als wichtigste und dringlichste Maßnahme muss ein gemeinsames Verständnis geschaffen werden, was unter dem Begriff „nachhaltig“ verstanden wird. Ein einheitliches Klassifikationssystem bzw. eine einheitliche Taxonomie soll aufzeigen, welche Tätigkeiten als nachhaltig angesehen werden können.
  2. Basierend auf der Nachhaltigkeitstaxonomie werden EU-Normen und Kennzeichen für nachhaltige Finanzprodukte eingeführt, welche die Integrität des nachhaltigen Finanzmarkts und das Vertrauen in diesen schützen. Investoren können durch diese Normen und Kennzeichen leicht erkennen, welche Investitionen den Kriterien der Umweltfreundlichkeit oder Emissionsarmut genügen.
  3. Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte – vor allem Infrastruktur; werden nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) doch ca. 60 % der Treibhausgasemissionen von der Infrastruktur verursacht.
  4. Wertpapierfirmen und Versicherungsvertreiber sollen ihre Kunden nicht nur nach deren Anlageziel und Risikotoleranz beraten, sondern auch die Nachhaltigkeitspräferenz entsprechend berücksichtigen.
  5. Entwicklung von Nachhaltigkeitsbenchmarks, welche Referenzwerte für CO2-arme Investitionen und Referenzwerte für Investitionen mit günstiger CO2-Bilanz umfassen – somit kann der CO2-Fußabdruck von Unternehmen und folglich des Investitionsportfolios gemessen werden. Zentral ist, dass transparente Methoden für die Ermittlung der Indizes zur Anwendung kommen.
  6. Bessere Berücksichtigung der Nachhaltigkeit und langfristigen Risiken in Ratings und Marktanalysen. Der Schwerpunkt muss ebenfalls auf nachvollziehbare und transparente Methoden gelegt werden.
  7. Klärung der Pflichten von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern, Nachhaltigkeitsfaktoren und -risiken bei den Investitionsabläufen berücksichtigen und die Offenlegungsvorschriften stärken – dies bedeutet mehr Transparenz für die Endanleger, ermöglicht einen Vergleich verschiedener Produkte und verhindert irreführende Informationen.
  8. Banken, Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen sind die wichtigsten externen Finanzierungsquellen für die europäische Wirtschaft. Gleichzeitig können sie jedoch auch Risiken ausgesetzt sein, welche mit einer nicht nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung verbunden sind. Benötigt wird eine bessere Berücksichtigung klima- und umweltrelevanter Risiken in den Aufsichtsvorschriften.
  9. Im Rahmen der Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung sollen Vermögensverwalter und institutionelle Anleger ihre Transparenz erhöhen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken und ihre Exponierung gegenüber klimabezogenen Risiken berücksichtigen. Zudem soll sichergestellt werden, dass Rechnungslegungsstandards weder direkt noch indirekt nachhaltige und langfristige Investitionen behindern.
  10. Förderung einer nachhaltigen Unternehmensführung und Abbau von kurzfristigem Denken auf den Kapitalmärkten.

Technical Advice der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) als Erweiterung zum Aktionsplan

Alle diese Maßnahmen zeigen, dass die Europäische Kommission eine klare Vorstellung hinsichtlich des Schutzes des Planeten hat und verschiedene regulatorische Veränderungen mit weitreichenden Konsequenzen folgen werden. Entsprechend erteilte sie am 24. Juli 2018 der ESMA das Mandat, einen Technical Advice vorzulegen, um das initiale Maßnahmenpaket zu ergänzen sowie Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren in die UCITS-Richtlinie, die Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) und MiFID II zu integrieren. Zudem soll ein Technical Advice bezüglich Ratingagenturen produziert werden. Um Konsistenz zu wahren, wird eng mit dem Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (EIOPA) zusammengearbeitet, welcher ein ähnliches Mandat für Solvabilität II und die Versicherungsvermittlungsverordnung (IDD) erhalten hat. Am 19. Dezember 2018 veröffentlichte die ESMA drei Konsultationspapiere zu den Bereichen Handel von Wertpapieren, Investment Funds und Ratingagenturen. Die Konsultation für die ersten beiden Papiere endete am 19. Februar 2019, wobei der Technical Advice der Europäischen Kommission bis spätestens 30. April 2019 vorgelegt werden muss, während die Konsultationsperiode für das dritte Papier drei Monate dauert und der finale Bericht Ende Juli 2019 fertiggestellt sein soll.

Taxonomie-Prüfung für Banken


Um Banken die Prüfung der Taxonomie zu erleichtern, hat zeb das zeb.taxonomy-Tool entwickelt, das Banken bei der Prüfung unterstützt.

Fazit: Transparenz in der Branche sowie verändertes Investitionsverhalten sollen zu einer Trendwende statt nur zu einem vorübergehenden Trend führen

Selbstverständlich bedeuten diese neuen regulatorischen Veränderungen einen gewissen Umsetzungsaufwand für die Finanzmarktteilnehmer. Entsprechend hält sich der Enthusiasmus derzeit noch in Grenzen – lautet der Konsens doch eher, dass nach Umsetzung von MiFID II noch nicht der richtige Zeitpunkt sei, um sich schon wieder neuen Anforderungen zu stellen. Trotzdem ist eine positive Resonanz spürbar, was primär im Verhalten der Investoren begründet liegt: Sobald diese nachhaltige Produkte nachfragen, wird der Markt nachziehen und solche anbieten müssen. Aktuelle Umfragen hierzu zeigen, dass sich das Interesse der Anleger in den vergangenen Monaten deutlich verstärkt hat, wobei insbesondere junge Investoren wichtige Treiber darstellen. Auch in Zukunft wird diese Präferenz hin zu nachhaltigen Investitionen weiter wachsen, führte doch die enorme Regulierung durch MiFID II zu einer erhöhten Transparenz der Branche wie auch der Investmentprodukte.

Für alle betroffenen Akteure führt dies zu einem unabdingbaren Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen: Beratungs- und Portfoliomanagementprozesse sowie Offenlegungsvorgaben müssen revidiert und ergänzt werden, Zielmärkte gilt es um Nachhaltigkeitsfaktoren zu erweitern, oder Mitarbeiter des Beratungsprozesses müssen Wissen und Expertise aufbauen, um das Thema Nachhaltigkeit bedienen zu können. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist es unerlässlich, dass sich alle Finanzmarktteilnehmer so früh und proaktiv wie möglich darauf vorbereiten.

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Samuel Isenschmid / Autor BankingHub

Samuel Isenschmid

Senior Manager Office Berlin

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