„Keine Guillotinen vor Banktürmen, sondern kooperative Revolution“

FinLeap ist der erste unabhängige Company Builder in Deutschland, der sich auf Finanztechnologieunternehmen spezialisiert hat. Seit ihrem Start haben die Berliner bereits fünf Fintechs gegründet, darunter Savedo, einen Online-Marktplatz für Festgeldanlagen, Valendo, ein Online-Pfandhaus für Luxusartikel, sowie financeAds International, ein Joint-Venture für Affiliate Marketing im Finanzsektor. Zuletzt wurde Clark vorgestellt, ein digitaler Versicherungsmakler, der nicht nur mehr Bequemlichkeit bei Versicherungsverträgen bietet, sondern Kunden bei Vertragsabschluss Bares zurückgewähren will.

Mit Hochdruck arbeitet das FinLeap-Team an weiteren Geschäftsmodellen. Wir hatten die Möglichkeit mit Ramin Niroumand, Partner und Gründungsmitglied von FinLeap, über die Erfolgsgeschichte seiner Startup-Fabrik, die Potenziale des Fintech-Marktes und die Rolle der etablierten Banken zu sprechen.

Über FinLeap

Ramin Niroumand
Ramin Niroumand

Jan Schuppert: Wie waren die Anfänge von FinLeap, wie sind Sie gestartet?

Ramin Niroumand: Den Anfang machte Savedo im Mai 2014. Wir suchten damals nach einer sinnvollen Alternative für die Zinswüste, in die Banken Millionen deutscher Sparer schicken. Schnell war unserem Team klar, dass das Potenzial für neue Geschäftsmodelle in dem Bereich enorm ist. Wir hatten nicht nur eine Lösung gefunden, wie man Sparern die Zinsen zurückgibt – also Savedo – sondern gleich eine Handvoll anderer guter Geschäftsmodelle.

Damit fiel auch die Entscheidung für den Aufbau einer Plattform, die Fintech-Modelle und ihre Gründer vereint. Der Startschuss für FinLeap und damit auch für ein weiteres Projekt, FinReach, war gefallen. Wir entschieden, ein erfolgreiches Modell zur Lead-Generierung im Mobile-Advertising-Umfeld auf die Finanzwelt zu übertragen. Warum? Weil wir auf das Know-how der HitFox Group, zu der FinLeap gehört, in dem Bereich zurückgreifen konnten. Und weil Kundengewinnung bei Bankprodukten von der physischen Präsenz einer Filiale und von KYC Prozessen geprägt wird. Heute entwickeln wir mit FinReach Software-as-a-Service Lösungen für Finanzdienstleister. Gerade aus dieser Arbeit haben wir weitere wertvolle Erkenntnisse über das Finanzökosystem gewonnen: Der Markt in Deutschland ist träge, die Anzahl der relevanten Player ist überschaubar, die Publisher kann man als “Vertreter der alten Schule” bezeichnen. Zudem wird der vordere Bereich der Lead-Generierung in Deutschland im Wesentlichen durch das Nürnberger Unternehmen Finance Ads dominiert. Eine weitere Erkenntnis unserer Recherchearbeit war allerdings auch, dass für fast alle Finanzprodukte die Customer Conversion optimierungsfähig war. Das Potenzial, den kompletten Onboarding-Prozess in nur 8 Minuten abzuwickeln, wie es heute beispielsweise Number26 schafft, haben wir schon damals klar erkannt.

Wettbewerb

Jan Schuppert: Nach diesen ersten Erkenntnissen, wie haben Sie auf den Markt reagiert?

Ramin Niroumand: Wir haben als eines der ersten Projekte ein B2B Software-as-a-Service Unternehmen für Banken und Versicherungen, das schon eben beschriebene FinReach, entwickelt. Das Entwicklerteam von FinReach fokussiert derzeit drei Themen:

  1. Kundengewinnung (Lead Generation)
  2. Kunden-Engagement (Kontowechselservice)
  3. Kunden-Enrichment (Cross-Selling)

Für den Bereich der reinen Lead-Generierung sind wir mit Finance Ads ein Joint Venture eingegangen (financeAds International), um die komplette Dienstleistungspalette international anbieten zu können. Das Preismodell ist dabei 100% performance-basiert, das heißt, dass sich die Gebühr sowohl für die Leads selbst als auch für die Nutzung der Software einzig an der Anzahl der Leads orientiert. Auch in Zukunft werden wir mit FinReach noch einige Innovationen vorstellen.

Das dritte FinLeap-Unternehmen war schließlich Billfront – Factoring für Mobile-App-Entwickler. Billfront haben wir von Beginn mit einem internationalen Fokus aufgebaut. Außerdem kam uns zugute, dass traditionelle Banken zu wenig Know-how und Erfahrung in dem Gebiet aufweisen, um auf die Bedürfnisse der Kunden adäquat eingehen zu können. Wir dagegen konnten auf die jahrelange Erfahrung von Hitfox aufbauen. Ein ganz klarer Wettbewerbsvorteil.

Jan Schuppert: Wieso haben Sie sich auf den Finanzbereich konzentriert und was sind die Besonderheiten für Start-ups in der Branche?

Ramin Niroumand: Jan Beckers, ebenfalls Gründungsmitglied und Partner von FinLeap ist Seriengründer, Investor und hat mit seinem Team Hitfox als einen der deutschen Vorreiter im Bereich Mobile Advertising etabliert. Ursprünglich hat er sich aus privatem Interesse den Finanzmärkten zugewandt, aber darüber hinaus auch die Attraktivität des Marktes erkannt:

  • Es ist ein entwickelter Markt mit über 118 Billionen Euro Privatvermögen weltweit in 2013 (Quelle: FinLeap).
  • Das Marktumfeld, basiert im Wesentlichen auf Informationen, steht aber …
  • … in Sachen Digitalisierung noch vollkommen am Anfang.
  • Demgegenüber stehen Kunden, die bereits heute nach innovativen Lösungen verlangen.

Wir arbeiten nun schon seit 2014 gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitern an diesem Projekt, welches in dieser Form zumindest in Europa einzigartig ist. Neben dem extremen Potenzial bietet das Umfeld allerdings auch einige Besonderheiten, die im E-Commerce nicht auftreten und Gründer vor besondere Herausforderungen stellen:

  • Die Finanzbranche ist regulatorisch stark überwacht.
  • Mitarbeiter müssen mehr Berufserfahrung mitbringen, um wirklich in die Produktentwicklung mit eingebunden zu werden. Daher müssen Fintechs höhere Gehälter zahlen als zum Beispiel E-Commerce-Startups. Aber anders als vor fünf Jahren beim Thema Mobile Advertising, gibt es im Fintech-Bereich bereits viele erfahrene Talente auf dem Markt.
  • Mitarbeiter müssen „per Gesetz“ bestimmte Fähigkeiten mitbringen. Dies gilt zum Beispiel für Aktuare, Vermögensverwalter, etc.

Jan Schuppert: Wie unterscheidet sich Ihr Modell von einem normalen Inkubator?

Ramin Niroumand: Auch wir zentralisieren Funktionen wie Accounting, Legal oder Business Development und entwickeln unsere Unternehmen bis zu dem Stadium, in dem sie eigenständig skalieren können. Dies passiert normalerweise während der ersten 6 Monate. Im Unterschied zu einem gewöhnlichen Inkubator sind wir nicht nur ein Shared Service Center, sondern bieten mit unserer Zentrale in Berlin Gründern die Möglichkeit, direkt von der Zusammenarbeit und dem Know-how der Partner zu profitieren. Daraus ergibt sich ein Gesamtwert, der den Erfolg eines Launches entscheidend erhöht. Außerdem verstehen wir uns als eine hightech Startup-Fabrik: In 80% der Fälle gründen und entwickeln wir die Unternehmen selbst.

Jan Schuppert: Wie würden Sie sich dann also z.B. vom Main Incubator oder Rocket Internet abgrenzen?

Ramin Niroumand: Der Main Incubator ist aus meiner Sicht nicht vergleichbar. Hierbei handelt es sich im Prinzip um ein Investment Vehikel. Rocket ist uns grundsätzlich ähnlich, aber mit etwas anderen Schwerpunkten. Im Wesentlichen unterscheidet sich Rocket in der Struktur der Equity-Anteile. Wir suchen explizit Unternehmerpersönlichkeiten. Egal ob ehemaliger Investmentbanker oder junger Student – jeder muss am Ende zu der Erkenntnis kommen, Unternehmer und nicht Manager werden zu wollen. Für Unternehmer hat FinLeap ein Angebot, das sonst keiner in der Qualität bieten kann.

Rolle von Investoren und Regulatorik

Jan Schuppert: Welche Rolle spielen externe Investoren für FinLeap?

Ramin Niroumand: Die schwierige Anfangsphase für Startups wird durch FinLeap finanziert. Natürlich sind auch wir ab einem bestimmten Punkt auf externe Investoren angewiesen. Insbesondere weil Investoren entscheidende Ressourcen wie zum Beispiel Netzwerke oder spezifisches Know-how einbringen. Der Bedarf variiert von der Phase, in der sich das Unternehmen befindet. Wir kennen die wichtigen Investoren und unsere Erfahrung zeigt: Aktuell haben 9 von 10 dieser VCs Fintech Investitionen ganz oben auf ihrer Interessiert-mich-Liste.

Jan Schuppert: In bestimmten Branchen wird von digitaler Revolution gesprochen. Unternehmen wie Uber oder Airbnb wird das Potential zugesprochen, bestehende Geschäftsmodelle nachhaltig zu verändern und ganze Sektoren umzukrempeln. Bei Fintechs wird aktuell eher noch von Evolution gesprochen. Sehen Sie das Potential für eine Revolution und wenn ja, in welchem Bereich?

Ramin Niroumand: Revolutionär ist meist nur der Zugang zu den Assets – so im Fall von Uber oder Airbnb. Zu einer Revolution kommt es erst, wenn Millionen Menschen das Angebot nutzen und die alten Spieler am Markt von dieser Entwicklung vollkommen überrascht werden. Schon jetzt hat Finleap mehrere Unternehmen mit einem neuartigen Zugang zu Assets gegründet und wir sehen, dass Nutzer die Produkte annehmen. Der strukturelle Wandel ist nicht mehr aufzuhalten. Der Sturm auf die Banken hat längst begonnen. Fintechs werden aber keine Guillotinen vor die Banktürme in Frankfurt aufstellen – unsere Revolution ist eine kooperative.

Jan Schuppert: Inwiefern sind die Finanzmarktaufsicht und die vielfältigen Regularien eine Herausforderung für Finanztechnologieunternehmen?

Ramin Niroumand: Finanzmarktregeln und eine zentrale Aufsicht sind enorm wichtig für uns. Solange die Finanzmarktaufsicht dem Interesse des Verbrauchers dient, dient sie auch uns. Etwas anders fällt die Einschätzung aus, wenn trotz Kritik von Branchenkennern und Verbraucherschützern die aktuelle Gesetzeslage in Deutschland sich auf amtlichen Anordnungen von 1923 stützt und nicht erkennt, dass Marktbegebenheiten sich verändert haben. So im Fall unseres jüngsten Unternehmens Clark: Hier wird die Rückgabe von Maklerprovisionen direkt an Kunden durch eine fast 100 Jahre alte Anordnung verhindert. Wir dürfen unseren Kunden die ersparten Provisionen nicht auszahlen, sondern müssen derzeit noch diese für einen von ihnen bestimmten Zweck spenden. Natürlich sehen wir uns in dem Fall als Anwalt von Verbraucherinteressen. Solche Regularien passen schlicht nicht mehr in die heutige Zeit. Positiv sehen wir dagegen Regularien, die Verbraucher schützen – auch vor Schwarzen Schafen, die sich als Fintechs tarnen. Nicht jeder Uni-Absolvent sollte morgen ein Girokonto anbieten und im Markt mitmischen können. England ist ein gutes Beispiel für ein glückliches Händchen bei Regularien. Hier gibt es einen öffentlichen Accelerator mit 16 Challenger Banken, die eine Banklizenz bekommen haben. In Deutschland war die Anzahl an vergebenen Lizenzen in den letzten Jahren vergleichsweise gering.

Jan Schuppert: Banken und Versicherungen verfolgen unterschiedliche Ansätze, um das Thema Digitalisierung anzugehen. Das Spektrum geht von eigenen Innovationswerkstätten über hauseigene Inkubatoren bis zu lockerer Zusammenarbeit. Welcher Weg ist aus Ihrer Sicht der erfolgversprechendste?

Ramin Niroumand: Ich habe ja bereits „auf der anderen Seite“ gearbeitet und aus meiner Sicht ist Kooperation der richtige Weg. Dazu braucht man allerdings einen Fast Track zu den Entscheidern der Bank. Diese Rahmenbedingung war bei uns gegeben und so konnten wir schnell unterschiedlichste Kooperationen aufbauen. Falls diese Möglichkeit nicht besteht, würde ich den Grüne-Wiese-Ansatz empfehlen. Hierbei ist meiner Ansicht nach entscheidend, dem Start-up die notwendige Eigenständigkeit zu gewähren und erst dann wieder „anzudocken“, wenn eine kritische Größe erreicht ist.

Jan Schuppert: Im Vergleich zu den großen Märkten USA und Großbritannien, welche Veränderungen würden Sie sich für Gründer von der Politik wünschen?

Ramin Niroumand: In England werden Investoren für den Fall des Misserfolgs eines Ventures Steuererleichterungen eingeräumt. Eine solche Regelung würde höchst wahrscheinlich auch zu mehr Kapital für deutsche Gründungen führen, die wiederum Arbeitsplätze schaffen würden. Ein anderes Beispiel: Wenn wir einen Fonds aufsetzen, ist das entweder sehr teuer oder wir müssen ein Konstrukt mit einer Mindesteinlage wählen. Ein interessantes Vehikel wären Crowd-Funding-Plattformen. Diese werden aktuell neu geregelt, was Investoren verunsichert und diese Anlageklasse derzeit gefährdet. Hier könnten etwa Förderbanken eine zentrale Rolle einnehmen.

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