creditshelf – Plattform für die digitale Mittelstandsfinanzierung

Das Frankfurter Fintech creditshelf ist Marktplatz für Mittelstandskredite bis 5 Millionen Euro. Kreditgeber sind Banken, institutionelle Anleger wie zum Beispiel Family Offices, alternative Investmentfonds oder Unternehmen mit kurzfristigen Liquiditätsüberschüssen. Im Gegensatz zum klassischen Bankkredit müssen die Firmen auf der Plattform keine Sicherheiten stellen. creditshelf macht damit die kurzfristige Finanzierung der betrieblichen Leistungserstellung für mittelständische Unternehmen einfacher und günstiger.

Wir haben mit CFO Fabian Brügmann der creditshelf Aktiengesellschaft über das Geschäftsmodell, die Übernahme der Peer-to-Peer-Lending-Plattform Main Funders von der Commerzbank und geplanten Kooperation mit der Großbank sowie über Zukunftspläne gesprochen.

Geschäftsmodell und Zielgruppe von creditshelf

Hallo Herr Brügmann, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unser Gespräch nehmen. creditshelf wurde bereits 2014 gegründet. Fassen Sie doch einmal Ihr Geschäftsmodell zusammen.

creditshelf ist vor fünf Jahren mit der Vision gestartet, neue Finanzierungsmöglichkeiten für den deutschen Mittelstand zu schaffen – und das unkompliziert und transparent. Als Pionier der digitalen Mittelstandsfinanzierung bringen wir KMU mit Bedarf an im Wesentlichen unbesicherten Krediten mit Investoren zusammen, die in diese ansonsten schwer zugängliche Assetklasse investieren wollen.

Unsere Ziel-KMU haben gesunde Bankbeziehungen, allerdings wollen oder können Banken oftmals aus Kosten-, Zeit- oder Gründen des Risikoappetits keine zusätzlichen Kredite vergeben. An dieser Stelle kommt creditshelf mit seiner hohen Wertschöpfungstiefe beim Kreditvergabeprozess ins Spiel. Neben der Akquise von Kreditgebern und -nehmern, der Auswahl geeigneter Projekte mittels einer sorgfältigen und weitestgehend technologiegestützten Analyse und Risikoprüfung – dem Herzstück der creditshelf – zählt dazu auch die Bepreisung sowie das Servicing der Kredite. Lediglich der finale Schritt der Kreditvergabe selbst findet mithilfe einer sogenannten Fronting Bank und deren Banklizenz statt, die wir selbst nicht haben. Umsätze erzielen wir, indem wir für das Arrangieren von Krediten sowohl von den KMU als auch von den Investoren eine Gebühr erheben.

Welche Zielgruppe spricht creditshelf sowohl auf Kunden- als auch Investorenseite an?

Wir arrangieren Kredite an gesunde mittelständische Unternehmen mit mindestens drei Jahren Unternehmenshistorie und einem Jahresumsatz von mindestens 2,5 Mio. Euro und nur selten mehr als 100 Mio. Euro. Ab letztgenannter Größenordnung steigt die Kapitalmarktfähigkeit der KMU und damit die Investierbarkeit. Stand Q1 2019 liegt das durchschnittliche Volumen pro Kredit bei rund 800.000 Euro.

Zu unseren Kunden gehören ausschließlich deutsche Unternehmen aus fast allen Branchen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Mittelständlern, die man im klassischen Kreditrating als BB oder BBB einordnen würde – solide Unternehmen mit einem mittleren Risikoprofil. Welche Kredite wir dann arrangieren, entscheidet unsere sorgfältige Kreditanalyse. Hierbei handelt es sich neben Betriebsmittelkrediten auch um Wachstumsfinanzierungen, Unternehmensnachfolgen oder M&A-Situationen. Auf der Kreditgeberseite stehen ausschließlich professionelle und institutionelle Investoren. Dies unterscheidet uns von sogenannten Crowd-Lending-Plattformen. Zu unseren Investoren zählen spezialisierte Fonds, Family-Offices, Asset-Manager, Stiftungen, aber auch Banken und liquiditätsstarke Unternehmen.

Kreditprozess und Kreditgeschäft

Im Rahmen des digitalen Kreditprozesses führt creditshelf nach der Kreditanfrage mit den gewünschten Konditionen (Kredithöhe, Laufzeit etc.) eine Prüfung bzw. Bewertung durch. Wie sieht diese Prüfung konkret aus und inwieweit verwenden Sie in diesem Zusammenhang einen Risikoanalyse-A ?

Wir haben einen zweistufigen Analyseprozess, der wie folgt aufgebaut ist:

In Stufe I der Prüfung, die im Wesentlichen automatisiert abläuft, wird der Kunde primär quantitativ bewertet. Umfangreiche Buchhaltungsinformationen, die in maschinenlesbarer Form über die Plattform creditshelf.com zugänglich gemacht werden, beziehen wir ebenso mit ein wie die Überprüfung von externen Bonitätsauskünften sowie Netzwerk- und Zahlungsverkehrsdaten.

In Stufe II bewerten wir durch ein Gespräch mit dem Kreditnehmer qualitative Faktoren wie die Managementfähigkeit und die aktive Gestaltung der Zukunft des Unternehmens und stellen gezielte Rückfragen auf Basis der in Stufe I ermittelten Datenpunkte. Keine Entscheidung wird alleine durch unsere Software, sprich, ohne unsere Risikoexperten, getroffen.

Entscheidend ist aber, dass sich unsere Kolleginnen und Kollegen im Risikoteam mit tatsächlichen Inhalten der Risikoanalyse beschäftigen können. Die Aufbereitung von Zahlen und Daten sowie die Identifizierung verschiedener „Red Flags“ in Stufe I, die zu einer Ablehnung des Kreditnehmers führen, leistet unser Risikoanalyse-Algorithmus und trägt entsprechend zur Effizienz des Prozesses bei.

Zur Sicherstellung des Abschlusses eines wirksamen Kreditgeschäfts wird ein separater Kreditvertrag zwischen Ihrer Partnerbank und dem Kreditnehmer abgeschlossen. Die Kredite werden dann ebenfalls durch die Bank ausgezahlt. Mit welcher Partnerbank arbeiten Sie hier zusammen und was war der entscheidende Grund für die Kooperation?

Wir arbeiten seit längerer Zeit erfolgreich mit der MHB-Bank AG mit Sitz in Frankfurt zusammen, ein Institut, das sich auf Transaktionsservices und Kooperationspartner spezialisiert hat. Als sogenannte Fronting Bank übernimmt die MHB den rechtlich-administrativen Teil der Kreditvergabe für uns, für den es einer Vollbanklizenz bedarf. Diese Kooperation hat für beide Seiten Vorteile: Die Fronting Bank erhält für die Bereitstellung der Kredite eine Gebühr, während creditshelf ein schlankes und effizientes Geschäftsmodell verfolgen kann.

Wo steht creditshelf?

Im Juli 2018 wurden beim Börsengang insgesamt 16,5 Mio. Euro erlöst. Zum damaligen Zeitpunkt beabsichtigte Ihr Unternehmen den Nettoemissionserlös aus dem Börsengang u. a. zur Erweiterung des Produktportfolios, zur Umsetzung von Bankenkooperationen und zur Steigerung der Markenbekanntheit durch verstärktes Marketing zu verwenden. Knapp ein Jahr später – wo steht creditshelf und wofür wurden die Mittel primär verwendet?

Wie von Ihnen bereits aufgeführt sind die Emissionserlöse hauptsächlich in Software- und Produktentwicklung geflossen, aber auch in Maßnahmen zur Steigerung der Markenbekanntheit. Darüber hinaus haben wir in den Personalaufbau investiert, um mit dem starken Wachstum Schritt zu halten. Diese Wachstumspläne werden wir auch weiterhin konsequent umsetzen.

Ziel der Investitionen in unsere Software ist es, den Analyseprozess immer effektiver und trotzdem treffsicherer in der Auswahl der zu finanzierenden Kreditprojekte zu machen. Hier greifen die Skaleneffekte von wachsenden Datenmengen. Gleichzeitig wird der Prozess für Kunden einfacher, schneller und somit kundenfreundlicher. Auch arbeiten wir daran, unsere Produktpalette zum Beispiel in Richtung Factoring gezielt zu ergänzen und Kooperationen mit Banken zu verwirklichen. Ende April ist uns dies mit der Commerzbank gelungen.

Stichwort Commerzbank

creditshelf hat die Peer-to-Peer-Lending-Plattform Main Funders von der Commerzbank übernommen. Was waren in diesem Zusammenhang die zentralen strategischen Gründe, die zu dieser Übernahme führten?

Main Funders wurde 2016 mit dem Ziel gegründet, Investoren mit kreditsuchenden Unternehmen zusammenzubringen. creditshelf hat sich darauf spezialisiert, den Finanzierungsbedarf von deutschen KMU-Kreditnehmern durch Kredite von an dieser Anlageklasse interessierten Investoren zu bedienen. Daher passt der Plattformgedanke von Main Funders sehr gut zum Profil von creditshelf.

Im Zusammenhang mit der Übernahme wurde offiziell bekannt gegeben, dass es zukünftig zwischen der Commerzbank und creditshelf im Bereich der Kreditvergabe eine Kooperation geben soll. Wie wird diese Kooperation konkret aussehen und was sind die gemeinsamen Ziele?

creditshelf und die Commerzbank haben im Rahmen der Main-Funders-Übernahme eine grundlegende Vereinbarung über eine Kooperation getroffen, die eine Zusammenarbeit im Bereich der Kreditvergabe vorsieht. Demnach wird die Commerzbank ausgewählte Kreditanfragen, die bisher dem Profil von Main Funders entsprochen haben, an creditshelf vermitteln.

Die Erlaubnis des potenziellen Kreditnehmers vorausgesetzt, tritt creditshelf mit dem Interessenten in Kontakt und entscheidet nach erfolgter Prüfung, ob das jeweilige Kreditprojekt auf der Plattform von creditshelf eingestellt wird. Im Gegenzug soll die Commerzbank von creditshelf bei erfolgreicher Vermittlung eines Kreditprojekts eine einmalige Vermittlungsprovision erhalten. Die Kooperation hat für beide Seiten Vorteile. Zum einen kann die Commerzbank durch die Kooperation mit creditshelf bei Finanzierungsanfragen eine weitere Alternative anbieten. Zum anderen kann creditshelf auf diesem Weg mehr Kredite vermitteln. Für das Jahr 2019 streben beide Parteien ein Volumen im höheren zweistelligen Millionenbereich an.

Wachstumsziele und Zukunftspläne

Im Berichtszeitraum 2018 hat sich das über creditshelf angefragte Kreditvolumen auf mehr als 1 Mrd. Euro verdoppelt (Vorjahr: 471 Mio. Euro). Gleichzeitig konnte creditshelf das Volumen der arrangierten Kredite um 51,2 % auf 50,7 Mio. Euro erhöhen. Ihr ausgewiesenes mittelfristiges Wachstumsziel von jährlich ausgereichten Krediten hat ein Volumen in Höhe von 500 Mio. Euro. Was sind die zentralen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels?

Wir haben in den vergangenen Jahren, inklusive des abgelaufenen Geschäftsjahrs, einen sehr starken Anstieg an Anfragen und arrangierten Krediten erlebt, der sich auch im ersten Quartal 2019 fortgesetzt hat. Unsere im Geschäftsbericht 2018 veröffentlichte Umsatzprognose für 2019 macht deutlich, dass wir von einem sich fortsetzenden Wachstumstrend ausgehen.

Unsere Wachstumsstrategie sieht Investitionen in die weitere Verbesserung unserer Analysesoftware, steigenden Marketingaufwand zur Etablierung der Marke und Erhöhung des Bekanntheitsgrads, Kooperationen und Partnerprogramme vor. All das zahlt darauf ein, dass wir unser mittelfristiges Ziel von jährlich rund 500 Mio. Euro weiterhin fest im Blick haben.

Einige FinTechs denken darüber nach, Filialen zu eröffnen bzw. tun dies bereits, dazu zählt z. B. Finanzcheck.de – wäre das aus Ihrer Sicht für creditshelf und die KMU-Kunden ebenfalls eine Alternative?

Die Idee hinter creditshelf war von Anfang an, die Mittelstandsfinanzierung und das Kreditgeschäft neu und digital zu denken. Dies schließt die Kombination von digital und persönlich aber nicht aus. Lassen Sie mich dies anhand von Beispielen erläutern: Erstens, unsere Software und unser Risikoalgorithmus dienen dazu, den Kreditvergabeprozess und die Kreditanalyse schlank aufzustellen, unseren Kreditrisikoanalysten möglichst viel Arbeit abzunehmen und sie bestmöglich bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Die finale Kreditentscheidung trifft auch bei creditshelf ein Mensch bzw. ein Komitee. Zweitens beschäftigen wir Vertriebsmitarbeiter, die den Standortvorteil Frankfurt am Main als mitten in Deutschland gelegene Stadt mit kurzen Wegen in unsere wichtigsten Vertriebsregionen nutzen. Auch bei uns zählt im Vertrieb der persönliche Kontakt. Ob dies zukünftig auch Filialen beinhaltet, schließen wir nicht kategorisch aus, bewerten wir aber nach entsprechenden Effizienzkriterien.

Abschließend möchten wir gerne noch etwas über die Zukunftspläne von creditshelf erfahren. Was sind die nächsten Meilensteine und welche allgemeinen Herausforderungen sehen Sie in Zukunft für creditshelf?

Unser Ziel ist es, die aktuelle Wachstumsdynamik aufrechtzuerhalten. Wir sind der festen Überzeugung, dass es eine Frage des „wann“ und nicht des „ob“ ist, dass der Markt für Mittelstandskredite auch in Deutschland zunehmend online und digital wird.

Erfolgreiche Vorbilder gibt es ja bereits in Großbritannien oder auch in Deutschland hinsichtlich der Entwicklung bei Konsumentenkrediten. Diese Potenziale wollen wir adressieren und gleichzeitig intern passende Strukturen schaffen, ohne unsere innovative und agile Unternehmenskultur als junges FinTech zu verlieren.

All diese Projekte zu forcieren, ist mit Sicherheit die Herausforderung, der wir uns stellen. Im Rückblick darauf, was wir bereits erreicht haben, sind wir aber sehr zuversichtlich, auch die kommenden Aufgaben meistern zu können.

Vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke!

Sprechen Sie uns gerne an!

Bastian Walkhoff/ Autor BankingHub

Bastian Walkhoff

Expert Partner Office Hamburg

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach