Die Liquiditätsberichterstattung von Banken ist wenig transparent

Nach wie vor sorgt die europäische Schuldenkrise für ein grundlegendes Misstrauen der privaten und institutionellen Investoren gegenüber Finanztiteln. Die jüngsten Berichterstattungen sind dabei geprägt von der wahrgenommenen Eigenkapitallücke einzelner Institute sowie der Frage nach der angemessenen Kapitalisierung von Banken. Es ist allerdings erstaunlich, dass in diesem Kontext die Frage nach der Liquiditätssituation der Banken in der öffentlichen Diskussion kaum Raum einnimmt. Gleichwohl besteht auch hier ein strukturelles Problem.

Trockener Interbankenmarkt

Private und institutionelle Investoren zeichnen nur bedingt Fremdkapitaltitel von Banken. Der Interbankenmarkt ist als Refinanzierungsquelle weiterhin nahezu „ausgetrocknet“. Demgegenüber steht ein durch zeb/ geschätzter kurzfristiger Refinanzierungsbedarf der 20 größten europäischen Banken von etwa 2,3 Bill. bis 3,4 Bill. Euro im laufenden Jahr. Dies entspricht etwa dem 1,3- bis 1,9fachen des entsprechenden Refinanzierungsbedarfs der EU 15-Staaten. Neben der Sicherstellung einer angemessenen (Eigen-)Kapitalausstattung stellt damit die Liquiditätssicherung für die Banken eine besondere Herausforderung dar. Dieses Thema ist wieder zentral in den Fokus der Diskussionen zu rücken. Nicht zuletzt fehlende Refinanzierungsmöglichkeiten haben schließlich zum Kollaps von Lehman und damit zum Ausbruch der Bankenkrise geführt.

Die Bewältigung der Herausforderungen zur Liquiditätssicherung ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil die Einhaltung bestimmter „Hygienefaktoren“ im Hinblick auf die Kapital- und Liquiditätsausstattung auch wesentlich zum Marktwert einer Bank beiträgt. Eine Untersuchung der Bewertung von Großbanken über den gesamten Konjunkturzyklus zeigt, dass Banken mit hoher Price-Book-Ratio (P/B) eine um 40 % bessere Liquiditätsquote als Banken im unteren Quartil der P/B-Verteilung aufzuweisen hatten.

Die jüngsten Liquiditätsoffensiven der Zentralbanken haben kurzfristige Liquiditätsengpässe beseitigen können. Allerdings müssen die Banken schnellstmöglich das langfristige Vertrauen der Investoren in ihre Liquiditätsausstattung wiederherstellen, um Anschlussfinanzierungen für die Rückzahlung der Zentralbankschulden sicherstellen zu können und gleichzeitig die Grundlage für eine nachhaltige Verbesserung ihrer Marktbewertung zu legen.

Ein Standard tut not

In diesem Zusammenhang kommt der Investorenkommunikation besondere Bedeutung zu. Erst über eine regelmäßige, transparente und weitgehend standardisierte Berichterstattung der Banken wird es den Investoren ermöglicht, sich ein sachgemäßes Bild von der Liquiditätssituation eines Finanzinstituts zu verschaffen. Aus Sicht der Bankenberatung zeb erfordert dies die Bereitstellung von Informationen zu drei wesentlichen Dimensionen:

  • Struktur (z. B. in Form von aussagekräftigen Kennziffern zum Liquiditätsprofil),
  • Risiko (z. B. auf Basis von Liquidity-at-Risk-Maßzahlen) und
  • Kosten (z. B. über den Ausweis der durchschnittlichen Fundingkosten p. a.)

Eine regelmäßige Veröffentlichung dieser Informationen über alle Banken bzw. Bankensektoren würde bestehende Unsicherheiten im Markt ausräumen.

Als relevantes Medium für die zeitnahe Information der Investoren zu diesen drei Dimensionen ist – zumindest bei kapitalmarktnotierten Instituten – die Quartalsberichterstattung zu nennen. Eine Untersuchung der Quartalsberichte und Investorenpräsentationen der 20 größten europäischen Banken zum Ende des dritten Quartals 2011 zeigt, dass die Notwendigkeit einer gezielten Liquiditätsberichterstattung erkannt worden ist. Es hat sich aber aktuell weder ein einheitlicher Standard herausgebildet, der eine im Ansatz vergleichende Analyse ermöglichen würde, noch finden die drei Dimensionen zur Beschreibung der Liquiditätssituation gleichermaßen Berücksichtigung.

So berichten im Hinblick auf ihr Liquiditätsprofil viele Banken über die Struktur ihrer Verbindlichkeiten. Bei den einzelnen Berichtsdimensionen zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede. Etwa die Hälfte der Banken differenziert die Verbindlichkeiten nach Refinanzierungsquellen und/oder Investoren. Details zur Laufzeitstruktur bietet dagegen nur etwa ein Viertel der Banken an. Darüber hinaus unterscheiden sich Anzahl und Struktur der in den einzelnen Dimensionen verwendeten Kategorien teils deutlich.

Hinsichtlich der spezifischen Liquiditätsrisiken finden sich noch weniger vergleichbare Informationen. Nur etwa die Hälfte der Banken macht Angaben zur Höhe des jeweils vorgehaltenen Liquiditätspuffers. Details zu Zusammensetzung und Laufzeit finden sich nur bei sehr wenigen Instituten. Dagegen wird eine Vielzahl von häufig individuell definierten Liquiditätskennziffern berichtet. Diese sind für sich jeweils durchaus geeignet, um eine Liquiditätsrisikoabschätzung vorzunehmen. Eine vergleichende Analyse wird aber durch die Vielzahl der Kennzahlen nahezu unmöglich. Die insbesondere für die Eigenkapitalinvestoren relevanten Kosten der Liquiditätssicherung spielen aktuell nahezu keine Rolle in der Berichterstattung.

Deutlicher Handlungsbedarf

Die Analyse der Liquiditätsberichterstattung der Großbanken zeigt also deutlichen Handlungsbedarf im Hinblick auf einheitliche Strukturierung und inhaltliche Verbreiterung der Liquiditätsberichterstattung. Diese sind zur Vermeidung von unsicherheitsbedingten Bewertungsabschlägen seitens der Investoren unbedingt anzustreben. Auch den übrigen Marktteilnehmern ist es bislang nicht gelungen, einen eindeutigen und ausreichenden Berichtsstandard zu setzen. Zwar schaffen die Aufsichtsbehörden mit der Einführung der Basel-III-Liquiditätskennzahlen LCR und NSFR zwei standardisierte Messgrößen zum kurz- und langfristigen Liquiditätsrisikoprofil, wesentliche Risiko- und Kosteninformationen bleiben aber auch hier unberührt. Ratingagenturen und Analysten beschränken sich vielfach auf die qualitative Interpretation der von den Banken zur Verfügung gestellten Liquiditätsinformationen oder entwickeln eigene Kennzahlen.

Die Abschläge verringern

Würden die Banken aktiv und konzertiert die bestehenden Informationslücken schließen und so mehr Transparenz schaffen, könnten sie einen Marktstandard schaffen, der berechtigtes Investoreninteresse und die Wahrung der eigenen Wettbewerbspositionen in Einklang bringt. Gleichzeitig wirkten sie damit positiv auf ihre jeweilige Bewertung ein, da Abschläge für Unsicherheit verringert würden. Wird dieser Marktstandard aber nicht in naher Zukunft von den Banken selbst entwickelt, ist davon auszugehen, dass entweder Markt- oder Regulationsdruck die erforderliche Standardisierung der bereitgestellten Liquiditätsinformation hervorbringen wird. Dann würde die Industrie einmal mehr nur auf eine sich verändernde Umwelt reagieren, anstatt aktiv gestalterisch zu wirken und auf diese Weise eine allseitig zielführende Lösung zu erarbeiten.

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Dr. Dirk Holländer / Autor BankingHub

Dr. Dirk Holländer

Leitung zeb.business school, Frankfurt
Dr. Olaf Scheer/ Autor BankingHub

Dr. Olaf Scheer

Autor Office München

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