Die DIN-Norm 33430

Bereits 2002 wurde erstmalig eine DIN-Norm zur Personalauswahl und Eignungsdiagnostik veröffentlicht, die DIN-Norm 33430:2002-06 „Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen“. Mitte 2016 wurde auf der Grundlage intensiver Diskussionen eine stark überarbeitete Norm publiziert, die DIN-Norm 33430:2016-07 „Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik“.

Die DIN-Norm 33430:2016-07 „Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik“

Diese neue Norm ist folgendermaßen gegliedert:

Abbildung 1: Struktur der DIN-Norm 33430:2016-07

Der Text ist erheblich modifiziert worden jetzt stärker an der Prozesslogik eignungsdiagnostischer Verfahren orientiert. Der Anwendungsbereich der Norm wird wie folgt beschrieben:

Diese Dienstleistungsnorm enthält Festlegungen und Leitsätze für Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungsprozessen. Sie bezieht sich auf:

  1. die Planung von berufsbezogenen Eignungsbeurteilungsprozessen;
  2. die Auswahl, Zusammenstellung, Durchführung und Auswertung von Verfahren;
  3. die Interpretation der Verfahrensergebnisse und die Urteilsbildung;
  4. die Anforderungen an die Qualifikation der an Eignungsbeurteilungsprozessen beteiligten Personen.

Die DIN-Norm 33430:2016-07 dient

  1. Anbietern von Dienstleistern (organisationsinterne und -externe Auftragnehmer im Sinne dieser Norm) als Leitfaden für die Planung und Durchführung von Eignungsbeurteilungsprozessen;
  2. Auftraggebern in Organisationen als Maßstab zur Ausschreibung von Dienstleistungen sowie der Bewertung externer Angebote im Rahmen berufsbezogener Eignungsbeurteilungsprozesse;
  3. Personalverantwortlichen bei der Qualitätssicherung und -optimierung von Personalentscheidungen;
  4. dem Schutz der Kandidaten vor unsachgemäßer oder missbräuchlicher Anwendung von Verfahren zu Eignungsbeurteilungen.

Im Kern ist die DIN-Norm 33430:2016-07 wie bereits die Vorgängerversion eine Verfahrens- oder Prozessnorm, keine Inhalts- oder gar Produktnorm; sie definiert Anforderungen an den Prozess der eignungsdiagnostischen Prüfung sowie das mit dieser Prüfung betraute Personal. Das immer wieder zutage tretende Ansinnen unseriöser Anbieter, den eigenen Produkten eine Konformität mit der Norm bescheinigen zu lassen, ist daher schon aus sachlogischen Gründen unsinnig. Einzelne Persönlichkeitsinventare oder Testverfahren beispielsweise können der Norm nicht entsprechen. Das können nur konzeptionell ausgearbeitete und eingesetzte eignungsdiagnostische Verfahrensweisen.

Anwendungsbereich der DIN-Norm 33430:2016-07

sind eignungsdiagnostische Verfahren, die im Rahmen der Norm in fünf unterschiedliche Typen unterteilt werden:

  1. Dokumentenanalyse (z. B. die Analyse und Interpretation von Hochschul-/Schul- und Arbeitszeugnissen, des Lebenslaufs, von Beurteilungen, der Ergebnisse von Internetrecherchen);
  2. direkte mündliche Befragungen (z. B. Interviews mit Kandidaten, Gespräch mit einem Referenzgeber);
  3. Verfahren zur Verhaltensbeobachtung und Verhaltensbeurteilung (z. B. Rollenspiele, Gruppendiskussionen, Präsentationsübungen, Arbeitsproben);
  4. messtheoretisch fundierte Fragebogen (z. B. Persönlichkeitsfragebogen, Interessenfragebogen);
  5. messtheoretisch fundierte Tests (z. B. Intelligenztests, Wissenstests, Situational Judgement Tests).

Mit der DIN-Norm 33430:2016-07 werden alle eignungsdiagnostischen Verfahren und Instrumente analog zum wissenschaftlich fundierten Diskurs den allgemeinen, testtheoretisch fundierten Qualitätskriterien unterzogen, der Objektivität also, der Reliabilität und (prognostischen) Validität. Die Auswahl und Benennung der Verfahren referenziert auf die sogenannte Trimodalität der Eignungsdiagnostik. Demnach erfassen vollständige Systeme oder Verfahren der Eignungsdiagnostik biografische, eigenschaftsbasierte und situations- bzw. simulationsorientierte Aspekte oder Faktoren der individuellen Eignung.

Aus der Kombination von eignungsdiagnostischen Verfahren und Qualitätskriterien ergibt sich der inhaltliche Kern der Norm; im Einzelnen werden für alle Verfahrensklassen die Qualitätsparameter und Prüfverfahren aufgerufen. Die Neufassung der DIN-Norm 33430 basiert noch stärker als die erste Fassung auf dem Stand der eignungsdiagnostischen Forschung. Dadurch ist die Norm nicht nur umfangreicher, sondern auch konkreter und präziser geworden.

Zwar unterscheidet auch die aktuelle Fassung nicht zwischen geeigneten und ungeeigneten Verfahren der Personalauswahl, aber der stark ausdifferenzierte Anforderungskatalog erfüllt jetzt eine viel stärkere Schutzfunktion als dies bei der ersten Fassung der Fall gewesen wäre. Mit der ersten Fassung wäre es noch umstandslos möglich gewesen, selbst offenkundig unsinnige Produkte zu verwenden, solange die Anforderungen an den Prozess und das eingesetzte Personal erfüllt worden wären.

Die erste DIN-Norm 33430 war daher auch im schlechten Sinne eine Prozessnorm: Ihrer Grundlogik folgend wäre es möglich gewesen, Schwimmwesten aus Beton zu produzieren, solange der Produktionsprozess den formalen Anforderungen entsprochen hätte. Das ist jetzt so nicht mehr möglich, weil die Nichterfüllung von Vorgaben aus der Norm bereits Aussagen über Qualität und Eignung des eingesetzten Instrumentariums zulässt.

Die folgenden exemplarischen Auszüge (zu messtheoretisch fundierten Fragebogen und Tests) lassen eignungsdiagnostisch nicht qualifizierte Praktiker oder Anbieter automatisch an selbst gesetzte Grenzen stoßen und indizieren bereits auf diese Weise eine qualitative Differenz.

Die Dokumentation/der Bericht der empirischen Arbeit sollte den üblichen Kriterien für wissenschaftliche Publikationen folgen.

Die Anzahl der in den empirischen Studien untersuchten Personen muss für die jeweilige Fragestellung (z. B. Berechnung von Normwerten, erwartbare Effektstärke) angemessen sein.

Das sind nur zwei beispielhafte Formulierungen. Selbst ernannte Eignungsdiagnostiker, die mit den Grundlagen der Testtheorie und Psychometrie nicht vertraut sind, können diese Kriterien mangels Kompetenz und Expertise nicht erfüllen. Insofern ist die Schutzfunktion der DIN-Norm 33430 tatsächlich erweitert worden.

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Die DIN-Norm 33430:2016-07 enthält zahlreiche weitere Anforderungen, die den Interpretationsspielraum im Hinblick auf die Auswahl von Verfahren, Instrumenten und Methoden klar eingrenzen (= definieren). Auf der Grundlage einer in dieser Form spezifizierten Prozessnorm wird es daher künftig besser als bisher möglich sein, sinnvolle und geeignete Verfahren und Instrumente von weniger sinnvollen und ungeeigneten Verfahren und Instrumenten zu unterscheiden.

Die DIN-Norm 33430:2016-07 unterscheidet darüber hinaus unterschiedliche Rollen im eignungsdiagnostischen Prozess und definiert die Anforderungen an diese. Im Mittelpunkt stehen die mit der Durchführung von Personalauswahlverfahren betrauten Eignungsdiagnostiker und die daran beteiligten Beobachter. Für diese legt die Neufassung der Norm jeweils differenzierte Anforderungskataloge vor, die sich aus den Qualitätskriterien und der Logik des eignungsdiagnostischen Prozesses ergeben und insofern auch den aktuellen Forschungsstand reflektieren.

Aufgrund der arbeitsrechtlichen Regelungsdichte und des relativ späten Zustandekommens hat die Norm keine normativ-juristische Bedeutung, keine „Gesetzeskraft“ erlangt. Das unterscheidet diese „Dienstleistungsnorm“ ganz klar von DIN-Normen in der Industrie. Gleichwohl ist die DIN-Norm 33430:2016-07 in der aktuellen Fassung durchaus geeignet, betriebliche Personalauswahlprozesse zu strukturieren und qualitativ hochwertig zu gestalten. Sie kann insofern als Leitfaden, Checkliste oder Self-Assessment in Bezug auf die Konzeption und Durchführung eignungsdiagnostischer Prozesse genutzt werden. Auch im Zuge der Beschaffung und Auswahl externer eignungsdiagnostischer Dienstleistungen kann sie als Prüf- und Bewertungsraster eingesetzt werden.

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