Welcome to the banking experience

Bankangelegenheiten gehören für die meisten Menschen zu den lästigen Dingen des Lebens. Sei es die Altersvorsorge, eine Kontoeröffnung oder auch die Beantragung einer Baufinanzierung – die Interaktion mit Banken wird eher als notwendiges Übel, und weniger als Konsumerlebnis wahrgenommen. Laut aktuellen Kundenbefragungen genießen die meisten Banken zwar weiterhin hohes Vertrauen und auch die Kundenzufriedenheit liegt über dem Durchschnitt anderer Branchen, allerdings schaffen es die wenigsten Finanzinstitute, ihre Kunden zu begeistern und zur Weiterempfehlung anzuregen. Da sich aber Bankprodukte und –services aus Kundenperspektive kaum unterscheiden, ist es gerade in dieser Branche notwendig Kunden an das Unternehmen zu binden und sie als Markenbotschafter zu gewinnen, um nachhaltig profitable Kundenbeziehungen aufzubauen.

„Wow“-Momente – Von gutem Service zum Erlebnisanbieter

Bereits vor gut 15 Jahren wurden in einem Artikel der Harvard Business Review („Welcome to the Experience Economy“) vom Ende der Dienstleistungsgesellschaft und dem Beginn des Erlebniszeitalters berichtet. Stand früher das Zufriedenstellen der Kunden durch Minimierung der erzeugten Negativ-Erfahrungen im Vordergrund, so ist laut den Autoren Joseph Pine und James Gilmore im neuen Jahrtausend das Hervorrufen von persönlichen Kundenerlebnissen zu einem wesentlichen Differenzierungsmerkmal erfolgreicher Unternehmen geworden.
Sicherlich ist es weiterhin möglich, eine erfolgreiche Marktpositionierung über besonders guten Service, niedrige Preis oder ein herausragendes, innovatives Produkt zu erreichen. Gerade in Branchen, wie der Finanzdienstleistungsbranche, in der Produkte und Services wenige a priori bewertbare Differenzierungsmerkmale besitzen, ist dies für eine erfolgreiche und nachhaltige Kundenbindung meist nicht ausreichend.

Abbildung 1: The Progress of Economic Value - Quelle: Harvard Business Review

Der Kunde von heute möchte Marken und Produkte emotional erleben und durch einzigartige, individuelle „Wow“-Momente begeistert werden. Erlebnisorientierte Maßnahmen werden deshalb in vielen Branchen eingesetzt, um das eigentliche Kernprodukt zu präsentieren und eine emotionale Beziehung zum Kunden herzustellen. Das Erlebnis selbst stellt dabei ein eigenes in sich werthaltiges Angebot dar („distinct economic offer“), und muss daher nicht ein unmittelbarer Teil des angebotenen Produkts oder Services sein, sollte aber im Kontext zu diesem stehen. Das Produkt- oder Serviceangebot wird um das Kundenerlebnis erweitert, sodass der Kunde eher beiläufig zum Kauf des Produktes oder Services animiert wird. Bei den meisten erlebnisorientierten Maßnahmen werden Elemente zur Unterhaltung oder Interaktion zur emotionalen Kundenbindung genutzt. Sie können allerdings auch von ästhetischer Ausprägung, beispielsweise in Form besonderer Filialarchitektur oder künstlerischer Installationen sein. Darüber hinaus können erlebnisorientierte Maßnahmen auch auf die Wissenserweiterung oder Bildung der Kunden abzielen.

Erfolgreiche Erlebnisanbieter erfassen möglichst umfangreich alle diese vier Erlebnisdimensionen und verknüpfen diese intelligent über alle Kundenkontaktpunkte. Apple und Starbucks sind sicherlich die Paradebeispiele für innovative und intelligente Shop-Konzepte, die zum einen durch ihre ästhetische Gestaltung geprägt sind, zum anderen aber auch durch zahlreiche interaktive Elemente, die häufig zur Wissenserweiterung der Kunden dienen (bspw. Apple’s Genius Bar oder Zugriff auf Zeitung via Mobile App in Starbucks Stores, vgl. Fallstudie 1). BMW hat hingegen zahlreiche Erfahrungen über meist alleinstehende erlebnisorientierte Maßnahme, wie beispielsweise der BMW Ski Experience oder BMW-Autoreisen gesammelt. Mit „Future Retail“ hat BMW nun zudem ein stark an Apple angelehntes Vertriebskonzept aufgesetzt. (siehe auch Fallstudie 2). Coca-Cola setzt hingegen weiterhin insbesondere auf zeitlich befristete Maßnahmen und bietet so immer wieder neue spontane Erlebnismomente. Meist laden diese zur Interaktion ein und dienen der Unterhaltung, wie beispielsweise eine Aktion zur Verzierung der Cola-Dose mit dem eigenen Namen.
Ziel all dieser Unternehmensstrategien ist es nicht, die Erwartungen zu erfüllen, sondern vielmehr den Kunden spontan zu begeistern und emotional an das Unternehmen zu binden. Begeisterte Kunden werden zu Botschaftern der Marke, sind bereit ein zusätzliches Premium zu zahlen und nehmen sogar in gewissem Maße negative Erfahrungen in Kauf, wie beispielsweise lange Warteschlangen.

Der richtige Einsatz erlebnisorientierter Maßnahmen

Im Bankenumfeld sucht man solche ganzheitlichen Erlebniskonzepte noch weitestgehend vergeblich, wenngleich vereinzelt neue erlebnisorientierte Filialkonzepte in Innenstadtlage getestet werden. Allerdings hat nicht erst der Erfolg von Apple oder Starbucks gezeigt, dass der Wandel zum Erlebnisanbieter wesentlicher Eckpfeiler eines erfolgreichen Geschäftsmodells sein kann. Bereits seit den 80er Jahren wird in der Casinostadt Las Vegas in großem Umfang auf erlebnisorientierte Maßnahmen gesetzt, um massenweise Menschen zu animieren für das Glücksspiel mitten in die Wüste Nevadas zu fahren .
Sicherlich lassen sich die Inszenierungen der Casinos in Las Vegas nicht unmittelbar in das Bankenumfeld übertragen. Gleichwohl besteht auch bei der Bankinteraktion das Kundenbedürfnis nach Erlebnis, das es zu erfüllen gilt.
Ob Apple, BMW oder Starbucks – Bei Unternehmen, deren unternehmerischer Erfolg zumindest in Teilen auf die Schaffung besonderer Kundenerlebnisse zurückzuführen ist, können einige zentrale Beobachtungen gemacht werden. Obwohl die Ausgestaltung der Maßnahmen stets branchen- und unternehmensspezifisch erfolgen muss, lassen sich fünf übergeordnete Merkmale für eine erfolgreiche Generierung von Kundenerlebnissen definieren:

1. Informationen von Verkaufsabsichten lösen: In Zeiten des Informationsüberflusses, ist es besonders wichtig den Kunden gezielte Informationen zur Verfügung zu stellen, die Interesse am gesamten Themenkomplex des Produktes oder der Dienstleistung wecken. Ziel ist es die Begeisterung für den Themenkomplex (bspw. Technik oder Finanzmärkte) auf das Produkt zu übertragen und dem Kunden Sicherheit im Umgang mit diesem zu geben. So erklärt der sogenannte „Product Genius“ bei BMW, die Technik hinter dem fertigen Endprodukt. Bei Apples „Genius Bar“, werden Menschen aller Altersklassen mit dem grundlegenden Umgang mit Computern und Handys vertraut gemacht, unabhängig von konkreten Verkaufsabsichten. Starbucks hingegen führt in einigen neuen Konzeptstores sogenannte „SlowBars“ ein, bei denen die Kunden von einem Barista in die Künste der Kaffeeherstellung eingeführt werden. Der Aufbau der persönlichen Beziehung und das Schaffen emotionaler Momente stehen hier ebenfalls im Vordergrund. Auch die Incentivierung dieser Mitarbeiter richtet sich nicht nach direkten Absatzgrößen, sondern vielmehr nach ebenso messbaren Größen, wie beispielsweise der Kundenzufriedenheit. Ein „Banking Genius“, der ohne spezielle Verkaufsabsicht, die Grundlagen der Geldanlage vermittelt, ist bislang allerdings nur ein Gedankenspiel, das in der grauen Realität der Banken und Sparkassen noch weit entfernt scheint.

2. Kundeninteraktionspunkte richtig inszenieren: Trotz der zunehmenden Nutzung von online- und mobilen-Kanälen, werden physische Kundeninteraktionsräume in der Finanzdienstleistungsbranchen auch in Zukunft eine Daseinsberechtigung haben. Diese Standorte sollten allerdings weniger als Verkaufsort, sondern vielmehr als Ort zur möglichst einfachen und unverbindlichen Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen und der Marke dienen. Zahlreiche Unternehmen orientieren sich bei der Gestaltung ihrer Filiale daher an Hotel-Lobbys oder Bars, die sich über Jahrhunderte bereits als Interaktionsräume bewährt haben und bei den meisten Menschen positive Assoziationen wecken. Die Gestaltung der beeindruckenden Apple-Flagshipstores soll beispielsweise vom Ritz-Carlton in New York inspiriert worden sein. Empfangen wird man als Kunde von einem „Concierge“ der einem schon beim Betreten des Stores behilflich ist. Außerdem finden sich am Eingang keine unmittelbar ersichtliche Kassen. Die sogenannten „Genius Bar“-Beratertische erinnern darüber hinaus nicht nur durch Ihren Namen an einen Bar, an dem der Berater neben und nicht frontal zum Kunden steht. Auch wenn von Banken und Sparkassen zahlreiche neue Filialkonzepte getestet werden, sind diese eher der Einzelfall als die Regel in den bundesweiten Filialnetzen der Banken. Zudem lässt sich darüber diskutieren, welche Gestaltungsform für welchen Standort die Richtige ist. Kaffeebar und Souvenirartikel, wie sie im Flagshipstore „Q110“ der Deutschen Bank in Berlin zu finden sind, werden nicht in jeder Lage umsetzbar und auch nicht zielführend sein. Selbstbedienungsfilialen in Vorstadtlage mit ansprechendem Design und digitalen Features zur Videoberatung, wie Sie die Ziraat Bank in der Türkei einsetzt, können allerdings eine kostenoptimale Ergänzung zu zentralen Flagshipstores darstellen.

3. Kontext zur Marke und dem Produkt herstellen: Das Kundenerlebnis muss zum Produkt und der Marke passen, allerdings sind sie von klassischen Vertriebsmaßnahmen bewusst zu trennen. Dabei ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter mit dem dargebotenen Erlebnis identifizieren können. Zudem sollte sich die kulturelle Identität des Unternehmens wiederfinden. Dies bedeutet, dass das Erlebnis nicht nur vom Kunden sondern auch vom Mitarbeiter als solches wahrgenommen werden muss. Ebenso sollte jede Maßnahme in gewissem thematischen Kontext zum angebotenen Produkt oder Service stehen. Nur so kann ein glaubwürdiges Zusammenspiel von Erlebnis und Produkt/Service in harmonischer Koexistenz erfolgen. Die Integration einer Latte-Macchiato-Bar wird sicherlich die Besucherfrequenz in der Filiale erhöhen, allerdings bleibt der gewünschte Vertriebseffekt des Kernproduktes sehr wahrscheinlich aus. Ein Do-it-Yourself Konfigurator für das Eigenheim, der durch ein entsprechendes Finanzierungsangebot begleitet wird, kann dabei eine zielgerichtete Alternative sein. Die schnittstellenfreie Übertragbarkeit auf den eigenen PC oder das Handy sowie die Videoschaltung zum Finanzierungsspezialisten sollten dabei eine Selbstverständlichkeiten sein.

4. Stetig neue Impulse setzen: Ein Kundenerlebnis ist nur ein temporäres Ereignis, das anhand der gleichen Maßnahme nur für einen befristeten Zeitraum oder für eine begrenzte Anzahl an Interaktionen herausragende positive Momente hervorrufen kann. So erprobt Starbucks beispielsweise fortlaufend neue Storekonzepte sowie neue Online- und Mobile-Tools, und erzeugt dadurch ständig neue Reize. Zudem werden die Kunden über Social-Media-Kanäle aktiv mit in die Ideengenerierung eingebunden. Eine solche fortlaufende innovative Neugestaltung der Maßnahmen ist zwingend erforderlich. Insofern muss die Investition in erlebnisorientierte Maßnahmen immer vor dem Hintergrund des begrenzten Zeithorizonts abgewogen werden, um nicht überhöhte Erwartungen an erlebnisorientierte Maßnahmen zuknüpfen. Ebenso wie bei der Produktentwicklung, muss auch beim Kundenerlebnismanagement eine Innovationskultur in der gesamten Organisation verankert werden. Nur so kann regelmäßig und professionell das Angebot an die Kunden- und Marktanforderungen angepasst werden und spontane Impulse gesetzt werden.

5. Weniger ist mehr: „Jedes Kundenerlebnis wird so lange hinterfragt, bis alles Überflüssige wegfällt – und nur noch das Wesentliche, Nützliche und Schöne übrig ist“, so einer der Leitsätze von Apple. Bei der Integration von erlebnisorientierten Maßnahmen kommt es weniger auf die Summe der Angebote als auf das harmonische Gesamtbild an. Viele Unternehmen fokussieren sich dabei sogar nur auf ein zentrale erlebnisorientierte Maßnahme, setzen es in einen Themenrahmen und inszenieren dies durch Ihre Werbung, das Vertriebsstellen-Design sowie den Web- und Mobile-Auftritt. So bot beispielsweise Coca-Cola im Sommer 2014 die Möglichkeit an einigen zentralen Standorten eine Cola-Dose mit dem eignen Namen bedrucken zu lassen. Die Initiative wurde flankiert von einer umfangreichen Werbekampagne und vorgedruckten Cola-Dosen mit den beliebtesten Namen an allen Verkaufsstellen. Das Ergebnis: Entgegen des Markttrends hat Coca-Cola den Umsatz in nur 12 Wochen um 2,5% steigern können.

Fazit

Der Erfolg von Erlebnisanbietern zeigt: Den Blick über den Tellerrand zu wagen und Ausschau nach Inspirationen aus anderen Branchen und Innovatoren innerhalb der Finanzdienstleistungsbranche zu halten kann Banken helfen, sich in einem zunehmend kompetitiveren Umfeld zu positionieren. Ein erfolgreicher Wandel setzt allerdings einen ganzheitlichen Ansatz mit einer nachhaltigen Innovationsbereitschaft voraus, die nicht bei der modernen Gestaltung einiger Flagship-Filialen aufhört. Vielmehr muss die Kundenzentrierung und die ständige Wandlungsbereitschaft in der Unternehmensidentität verankert werden. Dann besteht allerdings kein Grund, weshalb Bankkunden nicht ebenfalls ein Premium für ein stimmiges Kundenerlebnis bezahlen sollten, wie in anderen Branchen schon längst üblich.

Auch wenn erlebnisorientierte Maßnahmen stets um das eigene Produkt designt werden sollten und die Markenidentität wiederspiegeln müssen, lassen sich doch durch den Blick in andere Branchen Anknüpfungspunkte identifizieren. Zwei bereits angesprochene Beispiele für neuartige erlebnisorientierte Gestaltungsformen sollen deshalb im Folgenden ausgeführt und die verwendeten Instrumente aufgezeigt werden:

Fallstudie 1 – Starbucks Concept Store

Fallstudie 2 – BMW Future Retail

Sprechen Sie uns gerne an!

Dr. Jens Wiegel/ Autor BankingHub

Dr. Jens Wiegel

Senior Manager Office Frankfurt

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach