Digitalisierung als zentrale Herausforderung für Finanzdienstleister

Dass das Internet längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und alle sozialen Schichten sowie Alters- und Bevölkerungsgruppen erreicht hat, ist inzwischen ein Allgemeinplatz. Auch die Tatsache, dass das Internet dank der Entwicklung multifunktionaler Smartphones mobil geworden ist, lässt sich in der Öffentlichkeit kaum noch übersehen. Welche Auswirkungen diese Entwicklung auf unser tägliches Leben hat, ist jedoch eine Frage, deren Antwort man bislang nur sehr vage erahnen kann. Durch Mobilität und kontinuierliche Verfügbarkeit der über das Internet verfügbaren Informationen und Interaktionsmöglichkeiten verschwimmt zunehmend die Grenze zwischen virtueller und realer Welt und Nutzer entwickeln völlig neue Verhaltens- und Reaktionsmuster.

Die in weiten Teilen noch unabsehbaren aber stetig wachsenden Möglichkeiten für neue Kontaktpunkte, Services und Geschäftsmodelle sind für Unternehmen Chance und Risiko zugleich. Chancen bestehen insbesondere darin, sich als Unternehmen im Umgang mit den Kunden durch eine konsequente Fokussierung auf den Kundenbedarf mittels neuer Technologien vollkommen neu zu positionieren. Risiken liegen insbesondere natürlich darin, dass dies nun etablierten aber ebenso auch neuen und teilweise branchenfremden Wettbewerbern schneller, besser, kundenorientierter und attraktiver gelingt. Die Gefahr des Verlustes auch langjähriger Kundenbeziehung erreicht damit eine bislang unbekannte Brisanz.
Abbildung: Herausforderungen Digitalisierung

Erfolg in der digitalen Welt – Der moderne Vierkampf

Auch wenn auf den ersten Blick klassische Markteintrittsbarrieren in Teilen durch die Möglichkeiten der Digitalisierung an Bedeutung verloren zu haben scheinen, so gleicht doch aus Sicht des zeb/ die erfolgreiche Positionierung in der digitalen Welt einem modernen Vierkampf mit vier gleichermaßen zu bewältigenden Disziplinen:

Disziplin 1 – Aufbau digitales Entwicklungsteam

Innovative Ideen sowie ein Entwicklungs- und Einführungsprozess abseits der in Konzernen üblichen starren Wege verlangt ein anderes Denken, Entscheiden und Handeln. Daher empfiehlt sich der organisatorische Aufbau eines digitalen Entwicklungsteams außerhalb der starren Konzernstrukturen. Dieses digitale Entwicklungsteam setzt sich aus internetaffinen „Kreativen“ zusammen, berichtet direkt an den Gesamtvorstand des Unternehmens, agiert innerhalb eines definierten Entwicklungsbudgets, pflegt ein Netzwerk aus innovativen Entwicklungspartnern in der digitalen Welt (Technologieentwickler, Marketingagenturen etc.), steuert den Innovations- und Entwicklungsprozess, nutzt die Organisation zur Ideengenerierung und -validierung und überprüft kontinuierlich den Erfolg der eingeführten Innovationen im Markt.

Disziplin 2 – Entwicklung Produkt- und Serviceinnovationen

Dies ist der „Dreh- und Angelpunkt“ für Erfolg in der digitalen Welt. Hier geht es darum, kontinuierlich Produkte und Serviceleistungen zu entwickeln, die den Bedarf des Kunden adressieren, seine Erwartungen positiv übertreffen und vom Kunden differenzierend und problemlösend wahrgenommen werden. Hierfür ist eine genaue Kenntnis der Kunden, ihrer Anforderungen und insbesondere ihres aktuellen Verhaltens unumgänglich. Weiterhin ist bei der Entwicklung zu akzeptieren, dass letztendlich nur die Praxis über den Erfolg dieser Ideen entscheiden kann. Die Bewährungsprobe in der Praxis muss daher kontinuierlich gesucht werden. Entwicklungs- und Einführungsprozesse müssen „trial and error“-orientiert sein.

Disziplin 3 – Einbettung in Vertriebs- und Servicestrategie

Die Einführung neuer Serviceinnovationen muss natürlich mit der bestehenden Vertriebs- und Servicestrategie kontinuierlich harmonisiert werden, um ein nahtloses ineinandergreifen verschiedenster Serviceleistungen über die verschiedenen Vertriebskanäle sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, dass strategische Überlegungen zum einen eher den Charakter von Entwicklungsleitplanken haben müssen, um notwendiger Kreativität ausreichend Freiraum zu lassen. Zum anderen muss bei am Markt erfolgreichen neuen Ideen eine flexible Einbindung in bestehende Strukturen und Strategieformulierungen ermöglich werden. Der Prozess der Strategiefindung ist damit nicht mehr so konsequent „top down“ wie man es klassischerweise gewohnt ist.

Disziplin 4 – Weiterentwicklung Multikanalplattform

Dies ist eine kontinuierliche, langfristige und kostenintensive Herausforderung für jedes Unternehmen und beinhaltet die prozessuale, (daten-)technische und organisatorische Integration aller Vertriebskanäle. Ziel ist es, dem Kunden unabhängig vom Zugangsweg ein vergleichbares Erleben der Unternehmensleistungen zu ermöglichen und ihn durch nahtloses Zusammenspiel der Kanäle entsprechend seiner individuellen Präferenzen zu kontaktieren und servicieren. Um dem rasanten technischen Fortschritt dabei Rechnung zu tragen, müssen neue Serviceideen teilweise pragmatisch an die bestehende Kanal-/IT-Architektur angebunden und ggf. erst zu einem späteren Zeitpunkt vollständig integriert werden. Dies bedingt einen neuen Umgang mit IT-Entwicklungs-/-Releaseprozessen.

Fazit und Ausblick

Aus unserer Sicht betrifft der digitale Wandel immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Handelns. Neue Geschäftsmodelle und immer häufiger auch disruptive Veränderungen eröffnen große Chancen, aber auch große Risiken für die etablierten Akteure. Ein erfolgreiches Wirtschaften in der Vergangenheit und Erfahrung sind alleine kein Garant mehr für die erfolgreiche Zukunft eines Unternehmens.

Die digitale Transformation verlangt neue Perspektiven auf Prozesse und Märkte, sowie Denkweisen außerhalb starrer Strukturen. Unserer Erfahrung nach ist es typisch, dass stabile und gewachsene Strukturen und Prozesse innerhalb des eigenen Unternehmens jegliche Innovation und Veränderung in den Disziplinen des skizzierten „modernen Vierkampfes“ recht zuverlässig unterbinden. Wer sein Leistungsversprechen auch in Zukunft erfüllen möchte, muss sich auf die digitale Kultur der Gesellschaft einlassen und sie idealerweise aktiv mit gestalten. Wichtig ist die Identifizierung der richtigen Personen im eigenen Unternehmen, die eine Vorbildfunktion in der neuen digitalen Kultur einnehmen können. Die Einbeziehung externer Unterstützung hilft eine neue Perspektive auf die eingelebten Strukturen und Prozesse zu gewinnen, die gewohnten Denkmuster aufzubrechen und kreative Köpfe zu identifizieren. Sie ermöglicht zudem Produkte und Prozesse neu zu denken und „Schwachstellen des eigenen Systems“ systematisch aufzudecken und zum Positiven zu verändern.

Sprechen Sie uns gerne an!

Dr. Matthias Uebing/ Autor BankingHub

Dr. Matthias Uebing

Partner Office Berlin

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Kommentare

2 Antworten auf “Digitalisierung als zentrale Herausforderung für Finanzdienstleister

  • Dr Michael Visse

    Herzlichen Glückwunsch zu dieser sehr gelungenen Ausführung zu dem Thema Herausforderungen der Digitalisierung. Die Bankenwelt tickt scheinbar ähnlich wie die Gesundheitswelt. Ich bringe es mal auf den Punkt: „ Innovation stört den sozialen Frieden im Haus“.
    Für Banken u. Arztpraxen bieten sich zur Zeit ungeahnte Chancen für die Interaktion mit den Kunden bzw. Patienten. Das Schlagwort heißt Konnektivität und die Zukunft hat längst begonnen. Wir müssen unser gewohntes Ordnungssystem verlassen. Wir sollten akzeptieren, dass das Internet unsere Beziehung zum Kunden Patienten verändert und dies als Chance für die Erhaltung unseres Erfolgs sehen. Ich wage hier eine intuitive Vorhersage: Die Bank bzw. Praxis der Zukunft wird an ihrer Digitalkompetenz gemessen.
    Anderes Denken führt zu anderem Handeln anderes Handeln zu anderen Ergebnissen.
    Dr. Michael Visse

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