Unternehmen aus allen Branchen fragen sich derzeit: Was könnte die Digitalisierung für uns bedeuten und welche Schlüsse müssen wir hieraus ziehen, um langfristig erfolgreich am Markt zu bleiben? Im Finanzdienstleistungsbereich kristallisiert sich bereits seit längerer Zeit P2P-Lending als ein Trend heraus, der deshalb bereits von unterschiedlichen Start-ups abgedeckt wird.
Im Gegensatz zu konkurrierenden P2P-Lending Anbietern setzt Bitbond jedoch auf Bitcoins als Technologie und Zahlungsnetzwerk. Wir hatten die Möglichkeit, in einem Gespräch mit dem Gründer unter anderem über ihr innovatives Geschäftsmodell, daraus resultierende Chancen und Risiken sowie die Zukunft der Bitcoin-Technologie zu sprechen.
Bitbond (gegründet 2013) positioniert sich dabei klar als Konkurrent des klassischen Bankensektors, wie dessen CEO Radoslav Albrecht im folgenden Interview erläutert.
1. Die Idee, dass sich Nutzer Geld ohne Bank als Intermediär gegenseitig leihen (P2P-Lending) ist nicht neu – was unterscheidet Euer Modell von den „klassischen“ P2P-Anbietern und welche Vorteile ergeben sich hieraus für Eure Kunden?
Bei „klassischen“ P2P Lending Plattformen wird die Zahlungsabwicklung jeweils von einer Bank übernommen. Die Plattformen bilden die Schnittstelle zwischen Kunde und Bank und kommen aber ohne die Bank nicht aus.
Dies ist bei Bitbond anders, da unsere Infrastruktur bankenunabhängig ist. Wir nutzen ausschließlich Bitcoin als Technologie und Zahlungsnetzwerk. Das hat mehrere Vorteile. Zum einen sind dadurch unsere Kosten deutlich geringer. Banken lassen sich die Zahlungsabwicklung bei herkömmlichen P2P Plattformen gut bezahlen, bei uns entfallen diese Kosten vollständig. Diese Ersparnis leiten wir durch deutlich geringere Gebühren an unsere Kunden weiter.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Bitbond aufgrund von Bitcoin ein globaler Marktplatz für Darlehen ist. Dies wäre auf Basis von Euro oder Dollar nicht möglich. Wenn ein Darlehensnehmer aus Argentinien beispielsweise von Anlegern aus Europa, Amerika und Asien finanziert wird, wären die Kosten für klassische Banküberweisungen und die Dauer der Transfers bei einem Darlehen von beispielsweise 6.000 USD prohibitiv hoch. Mit Bitcoins hingegen kann man digitales Geld in Sekundenschnelle zu extrem geringen Kosten in die ganze Welt verschicken.
Die Unabhängigkeit von Banken ist zudem in Regionen relevant, in denen ein hoher Teil der Bevölkerung kein Bankkonto hat. Mit Bitcoin hat jeder, der einen Internetzzugang hat, auch Zugang zu Finanzdienstleistungen. Die Notwendigkeit von klassischen Bankkonten entfällt. Momentan haben 56% der erwachsenen Weltbevölkerung kein Bankkonto und sind von Finanzdienstleistungen ausgeschlossen. Das kann sich durch Bitcoin grundlegend verändern.
2. Die Zinsen bei einem durch Bitbond vermittelten Darlehen können teilweise bei deutlich über 20% liegen und sind damit auf den ersten Blick höher als bei Bankdarlehen. Wie würdet ihr Euren Zielkunden beschreiben?
Unsere Zielkunden sind Selbständige und Kleingewerbetreibende. Meistens handelt es sich um Online-Händler die beispielsweise auf eBay, Amazon, MercadoLibre oder ihrem eigenen Shop Waren verkaufen. Diese Kundengruppe wird von Banken weltweit so gut wie gar nicht bedient. Banken sind nicht in der Lage die Bonitätsprüfung in diesem Segment verlässlich und effizient durchzuführen. Wir wenden innovative Methoden an. Dazu gehören insbesondere die Auswertung der Verkaufszahlen und das Kundenfeedback, das die Händler auf den jeweiligen Marktplätzen erhalten.
Die Zinsen sind höher als bei Privatdarlehen, da das Risiko bei Selbständigen höher ist, als bei Angestellten. Dabei ist aber eben zu beachten, dass unsere Kunden von Banken nicht bedient werden. Wir sind in den meisten Regionen auf der Welt der einzige Anbieter in diesem Segment. In vielen Regionen, wie zum Beispiel Lateinamerika oder auch den USA, sind zudem auch die Zinsen auf Privatdarlehen über dem Niveau von Bitbond.
3. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene innovative Ratinglogiken entwickelt, die beispielsweise auf Onlinedaten aus Social Media Plattformen zurückgreifen. Auf welchen Daten basiert Euer Ratingmodell und wie hoch ist dabei der Automatisierungsgrad?
Momentan ist unser Rating noch größtenteils manuell. Wir arbeiten aber an der Automatisierung. Ziel ist es, bis Jahresende 2016 ca. 80-90% des Prozesses voll automatisiert zu haben. Wir haben hierfür ein Projekt mit dem Informatiklehrstuhl der Universität Potsdam zum maschinellen Lernen aufgesetzt. Mit der Hilfe der Universität werten wir unsere Daten aus und sind momentan dabei das Modell zu kalibrieren. Sobald wir hier verlässliche Ergebnisse haben, werden wir unser Rating größtenteils darauf stützen.
In die Bewertung fließen sehr viele Datenpunkte ein. Die wichtigsten sind dabei aktuelle Umsätze der Händler, Transaktionsdaten, Kundenfeedback und vieles mehr.
4. Auf Eurer Website positioniert ihr Euch radikal gegenüber klassischen Banken („See no bank, Hear no bank, Speak no bank“) – wie hoch schätzt Ihr die Chance ein, durch Eure Technologie das Kreditgeschäft grundlegend zu verändern?
Ich gehe davon aus, dass im Retail Segment die Darlehensvergabe mittelfristig (also in ca. 5-10 Jahren) genau so ablaufen wird, wie wir das im Moment vormachen. Das heißt, für den Kunden ist der Prozess vollständig online und im Hintergrund größtenteils automatisiert. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass als Zahlunsgnetzwerk etwas deutlich effizienteres eingesetzt werden wird als Swift oder SEPA. Ob es Bitcoin sein wird, ist nicht ganz klar. Ich setze aber definitiv auf eine digitale Währung, weil die Vorteile davon einfach so massiv gegenüber allen anderen bekannten Lösungen sind.
5. Welche Risiken ergeben sich für Darlehensnehmer- und -geber neben dem gewöhnlichen Kreditrisiko beim Abschluss eines Kredits über Eure Plattform und welche Rolle spielt dabei der Bitcoin-Kurs?
Neben den Kreditrisiken gibt es die üblichen bekannten Risiken, die es wahrscheinlich bei allen Online-Plattformen gibt. Dazu gehört vor allem die Datensicherheit und Integrität. Deswegen verwenden wir auch erhebliche Ressourcen darauf, um die allgemeine Sicherheit von Bitbond zu gewährleisten.
Der Bitcoin Kurs schwankt relativ stark gegenüber anderen, traditionellen Währungen. Dieses Risiko haben wir gut im Griff. Die meisten Darlehen auf Bitbond sind US Dollar denominiert. Wir nutzen Bitcoin primär als Zahlunsgnetzwerk und nicht als Währung im engeren Sinn.
6. Was ist Eure Vision und Projektion von Bitcoin – welches Potential seht Ihr für Digitalwährungen?
Aus meiner Sicht gibt es zwei denkbare Szenarien für die Zukunft von Bitcoin und digitalen Währungen. Im Szenario „Windows“ wird Bitcoin durch eine weiter zunehmende Marktkapitalisierung einen immer stabileren Wechselkurs haben und sich dadurch massenhaft als Währung durchsetzen. In diesem Szenario ist es aus meiner Sicht realistisch, dass Bitcoin oder eine ähnliche digitale Währung einen Anteil von 10-20% an allen Zahlungstransaktionen weltweit bekommt.
Im Szenario „Linux“ wird Bitcoin von Endverbrauchern kaum wahrgenommen oder gesehen werden. Trotzdem werden Banken und andere Finanzdienstleister im Hintergrund viele v.a. grenzüberschreitende Transaktionen über Bitcoin abwickeln, weil es günstiger und schneller ist. Dies ist ähnlich zum Betriebssystem Linux, das in vielen Systemen zum Einsatz kommt, aber nur von wenigen Endverbrauchern genutzt wird.
Zudem werden sicher einige weitere Blockchain-Anwendungen hinzukommen, z.B. der Eigentumsnachweis an Wertpapieren.
7. Und zu guter Letzt: Welche „Ausbaustufen“ Eures Produkts sind in Planung und wo seht Ihr Bitbond in fünf Jahren?
Unser Ziel ist es, eine relevante Größe im Segment Small Business Loans zu werden. Aus dieser Position heraus kann man dann in viele weitere Segmente hineinwachsen. Zum Beispiel (besicherte) Darlehen an Unternehmen, Privatdarlehen etc. Wir werden die Anteile an den Darlehen auch handelbar machen. Dann kann Bitbond sich zu einem globalen Marktplatz für Fremdkapitalinstrumente in verschiedensten Segmenten entwickeln.