Gemeinsam zum Ziel – Architektur-darstellungen als Change-Instrument

Bei der Umsetzung großer Projekte mit üblicherweise weitreichenden Veränderungen für betroffene Personen und umfangreichen Projektteams ist der Einsatz von Change-Management-Methoden unerlässlich. Immer wieder scheitern Projekte dadurch, dass die diversen involvierten Parteien nicht effizient in dieselbe Richtung arbeiten oder sich Widerstände aufbauen, wofür sich zwei Hauptursachen identifizieren lassen. Erstens wird durch unklare Strukturen und fehlende Koordination die Komplexität von Umsetzungsvorhaben nicht ausreichend beherrscht und zweitens versammeln sich die Betroffenen häufig nicht hinter den Zielen des Projektes. Hierbei kommt es dann schnell zu Sollbruchstellen zwischen unterschiedlichen Verantwortungsbereichen im Projekt („wer ist schuld?“) oder zwischen dem Projekt und der Linie. Ist die Kritikalität dieser beiden Aspekte den Projektverantwortlichen bewusst, lassen sich die Probleme durch den Einsatz präzise ausgewählter Change-Management- und Kommunikationsmethoden leicht und nachhaltig vermeiden.

Bilder im Kopf

Gerade IT-Umsetzungen bei Finanzdienstleistern sind schwer zu greifen: Durch fehlende einheitliche Begriffswelten und die Immaterialität von Bankprodukten entsteht bei den Beteiligten schnell ein unterschiedliches Verständnis von Problemstellungen und Lösungswegen. Gerade bei der Kommunikation über fachliche Silos hinweg und zwischen Fachbereich und IT sind Missverständnisse vorprogrammiert. Diese führen am Ende zu teuren Korrekturen an Konzepten und Lösungen oder im schlimmsten Fall sogar zum Vertrauensbruch. Als Katalysator und als gemeinsamer Bezugspunkt für die Beschreibung von Lösungswegen haben sich vor allem strukturierte Visualisierungen als erfolgreiches Instrument herausgestellt. Findet man eine Abstraktion des Problems in einer Darstellungsform, die für alle Beteiligte gut nachvollziehbar ist und die für die Beschreibung der Lösung notwendige Formalisierung und Granularität aufweist, kommen alle Beteiligten schnell in die gemeinsame Diskussion. Am Ende entsteht so ein für alle Seiten verbindliches Ergebnis, das bereits von allen relevanten Perspektiven beleuchtet wurde und somit eine hohe Qualität aufweist. Hinter diesem „Zielbild“ können sich dann alle gut versammeln. Hierbei ist die Etablierung einer einheitlichen Grundstruktur und immer wiederkehrender Darstellungsformen entscheidend. Die Definition und Verwendung einer „visuellen Grammatik“ ermöglicht durch eine vergleichbare Aufbereitung der Entscheidungsvorlagen die schnelle Orientierung eines Entscheiders: Dieser muss sich nicht jedes Mal neu in die Darstellungen eindenken sondern kann sofort einordnen, welche Bereiche der Bank betroffen sind und welche Auswirkungen eine Veränderung auf die einzelnen Bestandteile der Organisation hat.

Nutzenorientierung statt methodische Dogmatik

Entscheidend für die breite Akzeptanz der Darstellungen und somit für den Erfolg als „Katalysator“ ist es, eine für die jeweilige Problemstellung passende Visualisierung zu finden. Im Vordergrund steht dabei immer die Frage „welche Fragen will ich mit der Darstellung beantworten?“. Daraus ist im Folgenden eine Grundstruktur abzuleiten, die die notwendigen Basisinformationen so darstellt, dass sich die gesuchten Antworten möglichst direkt ablesen lassen. Bei der Detaillierung gilt dabei immer die Regel: Lieber schnell Ergebnisse mit Fokus auf den Zusammenhang zeigen („Breite“) als viel Aufwand in die Detailmodellierung zu investieren („Tiefe“). So erreicht man ein frühes Einsteigen in die Diskussion und prägt früh das Gefühl für die Erkenntnisse, ohne Aufwand in Ergebnisse „auf Halde“ zu investieren. Bei Bedarf kann dann – in als lohnend identifizierten Bereichen – immer noch ein Tiefstich erfolgen. Auch bei der Darstellung sollten viele Freiheitsgrade zugelassen werden: Alles, was die Lesbarkeit erhöht oder die Nachvollziehbarkeit der Erkenntnisse erhöht ist erlaubt. So können z.B. parallele Prozesselemente nacheinander dargestellt werden, um die Lesbarkeit zu vereinfachen. Dadurch unterscheiden sich die semiformalen Darstellungen (Use Cases) von klassischen in der IT häufig angewendeten Modellen.

Verzahnung der Fach- und IT-Perspektive

Auch wenn die genaue Ausgestaltung der Darstellung von der jeweiligen Problemstellung determiniert wird, tauchen in den Use Cases immer wieder dieselben Grundperspektiven auf, deren konsistente Verzahnung für funktionierende ORG/IT-Lösungen entscheidend ist:

  • Was ist zu tun? – Geschäftsprozess: Ausgangspunkt für die (Weiter-) Entwicklung von Lösungen sollte immer der Geschäftsprozess sein. Hierbei ist zu definieren, welche Schritte notwendig sind, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Im Unterschied zu anderen Prozessmodellierungen wie EPK wird aber auf das „was“ und nicht das „wie“ fokussiert. So erhält man einen guten Blick auf den Ablauf der Wertschöpfung, ohne sich mit zahlreichen Fallunterscheidungen auseinanderzusetzen. Zudem ermöglicht die Beschränkung auf das Ergebnis der Leistungserbringung eine schnelle Modellierung und sichert die Aktualität, die bei aufwändigen Prozessmodellen schnell verloren geht.
  • Wer tut es? – Organisationseinheit: Auf Basis der Beschreibung der Wertschöpfungskette steht im nächsten Schritt die Frage der Leistungserbringung an. Hierbei muss es immer eine Zuordnung von Verantwortlichen und  ausführenden Organisationseinheiten geben. Ohne das Zutun von Personen kann die Wertschöpfung nicht funktionieren.
  • Mit welcher Systemunterstützung? – Anwendungen: Gerade bei Finanzdienstleistern nimmt die IT ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Leistungserbringung ein. Bei der Ausführung der meisten Prozesse werden die Organisationseinheiten durch Anwendungen unterstützt – Teile der Prozesswelt sind sogar vollautomatisiert und die Funktion der Organisationseinheit beschränkt sich auf die Überwachung.
  • Auf Basis welcher Informationen? – Daten: Grundlage für die Wertschöpfung sind die Informationen. Eine Sicherstellung der ausreichenden Datenqualität und das Verständnis darüber, welche Informationen in welchen Prozessschritten benötigt werden ist die Voraussetzung, den „Rohstoff“ für die Wertschöpfung bereitzustellen.

Ausgehend von den Grundperspektiven, die den Zusammenhang zwischen der Wertschöpfung und den benötigten „Rohstoffen“ aufzeigen, lassen sich dann spezifische Problemstellungen behandeln. Hierzu werden die Grunddarstellungen um weitere Informationen ergänzt. So können z.B. der Kapazitätsbedarf oder die Menge von Transaktionen aufgenommen werden, um Engpässe bei Leistungsspitzen zu identifizieren. zeb hat diese spezifische Darstellungsart und ihre Anwendungen zu einer Methode zusammengeführt und nennt diese zeb.proGAM (professionelles Geschäftsarchitekturmanagement).

Gemeinsam Gestalten – Entwicklung Ziel-Geschäftsmodell und IT-Bebauung mit proGAM

Ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung ist der Einsatz bei einem führenden Service- und Softwareprovider der globalen Investmentfondsindustrie. Diese hatte nach Jahren intensivsten Wachstums mit zahlreichen neuen Geschäftsmodellen keinen klaren Blick mehr auf die wirklich wertschöpfenden Tätigkeiten und die gesamthafte IT-Unterstützung der Prozesse. Zahlreiche Anforderungen an die IT waren ad hoc gelöst worden, umfangreiche weitere Anforderungen waren formuliert, ein Gesamtblick fehlte. Unter Anwendung von zeb.proGAM wurden zunächst die aktuellen Geschäftsmodelle aufgenommen, visualisiert und anschließend um Prozesse und Anwendungen ergänzt. Diese Darstellungen dienten als Diskussionsgrundlage mit dem Management über Werttreiber, Erlösströme und die zukünftige Unternehmensstrategie. Die gemeinsam generierten Erkenntnisse wurden in ein Zielbild für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens übertragen. Dieses Zielbild wurde im zweiten Schritt mit den Geschäftsprozessen, der Ziel-IT-Architektur und den notwendigen Aktivitäten zur Erreichung der selbstgesteckten Ziele unterlegt (Bebauungsplan). Die Methode half sowohl bei der Diskussion des Top-Managements mit den jeweils Verantwortlichen als auch in der ganzheitlichen Generierung von Erkenntnissen und Handlungsnotwendigkeiten, war also angewandtes Change Management.

Abbildung 1: Beispiel für Darstellung eines Geschäftsmodells mit proGAM

Einfach mal ausprobieren

Auch wenn auf den ersten Blick unkonventionell, das Ausprobieren des Ansatzes in Form eines Piloten lohnt sich schnell. Die bisherigen Erfahrungen der Anwendung bei verschiedenen Fragestellungen und unterschiedlichen Kundensegmenten zeigen gute Erfolge. Durch die Fokussierung entsteht geringer initialer Aufwand, dem in der Regel ein hoher Zugewinn an Transparenz gegenüber steht. Weitere Schritte zur detaillierteren Analyse können dann bedarfsweise abgeleitet werden.

Sprechen Sie uns gerne an!

Dr. Wolf Behrmann

Dr. Wolf Behrmann

Senior Manager Office Frankfurt

Sebastian Hoffmann

Senior Manager

Artikel teilen

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

BankingHub-Newsletter

Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen
im Banking alle 2 Wochen direkt in Ihr Postfach