Auswirkungen geopolitischer Risiken auf den Finanzplatz Schweiz und seine Geschäftsmodelle

Der Schweizer Finanzplatz steht an einem Scheideweg. Die traditionellen Säulen Stabilität und Sicherheit werden durch die neue geopolitische Realität gefordert.

Die Schweiz muss sich anpassen – mit Blick auf den Einsatz von Finanzpolitik gegen Konfliktgegner, den Aufbau von Handelshemmnissen sowie die zunehmende Absicherung und Abschottung von Handelsketten. Der Schweizer Bankenplatz hat das Potenzial, eine weiterhin führende Rolle in einem vermehrt unsicheren Umfeld zu spielen. Er muss sich den Herausforderungen aber entschlossen stellen. Hierzu bedarf es zunächst einer faktenbasierten Bedrohungsanalyse für den Bankenplatz und die einzelnen Geschäftsmodelle. Darauf aufbauend lassen sich dann Handlungsempfehlungen ableiten.

Mit der jüngst veröffentlichten Studie «Die Auswirkungen geopolitischer Risiken auf die Schweizer Banken» von der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und zeb/zeb.business school liegt nun erstmalig eine Untersuchung vor, die datenbasiert die Auswirkungen der geopolitischen Veränderungen auf den Finanzplatz analysiert. Im Interview steht uns der Leiter International und Transformation der Bankiervereinigung, Dr. August Benz, Rede und Antwort.

Über die Studie

Hallo Herr Benz, wie kam es zu dieser Studie?

Dr. August Benz, Leiter International und Transformation der Bankiervereinigung, im Interview
Dr. August Benz, Leiter International und Transformation der Bankiervereinigung

Vor vielen Jahren habe ich Geopolitik studiert und habe diese Thematik immer verfolgt. Im persönlichen Austausch mit den SBVg Mitgliedern wurde dann immer klarer, dass die veränderte geopolitische Lage insbesondere für international tätige Finanzinstitute hoch oben auf der Prioritätenliste steht. Bisher wurden die Auswirkungen der geopolitischen Veränderungen auf den Bankenplatz jedoch nicht wissenschaftlich untersucht. Mit der vorliegenden Studie kann diese Wissenslücke erstmalig geschlossen werden.

Was ist das Hauptziel der Studie?

Hauptziel der Studie ist es, die Auswirkungen geopolitischer Risiken auf den Schweizer Finanzplatz und die einzelnen Geschäftsmodelle zu analysieren. Dabei werden zentrale Risikofaktoren wie internationale Spannungen, Sanktionen und Cyberbedrohungen identifiziert und bewertet, um die langfristige Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Bankensystems zu untersuchen.

Welche Methodik wurde für die Analyse verwendet?

Die Studie basiert auf einer dreiphasigen Methodik, die eine KI-gestützte Literaturanalyse mit 130 relevanten Publikationen und qualitative Interviews mit 22 hochrangigen Banker:innen und Expert:innen kombiniert. Diese Daten wurden in Expertenbewertungen und dynamischen Simulationen vertieft, um die Auswirkungen der geopolitischen Risiken auf verschiedene Geschäftsmodelle zu verstehen.

Kernaussagen der Studie

Zu welchem Schluss kommt die Studie?

Geopolitische Risiken gehören zur neuen Realität. Darauf muss sich der Schweizer Finanzplatz entsprechend einstellen, wenn er seine führende Position auch in Zukunft behalten möchte.

Drei Kernaussagen wurden abgeleitet:

  • Der zentrale Risikofaktor für die Banken in der Schweiz ist der Umgang mit Sanktionen. Dafür braucht das Land einen proaktiveren Ansatz. Die Politik und die Behörden müssen einen intelligenten Weg finden, wie sie ihre Sanktionspolitik gestalten wollen, damit die Schweiz ihre Rolle als sicheren und stabilen Standort weiterhin wahrnehmen kann.
  • Es braucht ein aktives Risikomanagement, mit dem sich die Politik und die Banken auf verschiedene geopolitische Szenarien vorbereiten können.
  • Eine unverändert hohe Anpassungsfähigkeit ist notwendig, um in einem schwierigen Umfeld Chancen zu erkennen und zu ergreifen. Hier sehen wir Innovation und Digitalisierung an vorderster Stelle, wie zum Beispiel den Einsatz von KI als neue Technologie.

Bedeutung der ausländischen Märkte für die Schweiz

Wie wichtig sind die ausländischen Märkte für die Schweiz?

Sehr wichtig – in der Schweiz werden 2’600 Milliarden CHF ausländische Kundengelder durch den Bankenplatz betreut. Der Vermögensanteil ausländischer Kunden bei Schweizer Banken liegt bei 45 Prozent. 19,4 Milliarden CHF aller Erträge in der Schweiz stammen aus dem grenzüberschreitenden Wealth Management. Ausländische Märkte sind folglich wichtig für die Branche, und die Konkurrenz schläft nicht. Die Schweiz steht im harten Wettbewerb mit führenden internationalen Finanzplätzen, die Marktanteile dazugewinnen und damit unsere Führungsposition im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft herausfordern.

Wie können die Banken mit den geopolitischen Risiken umgehen?

Die Banken sind unterschiedlich stark von den geopolitischen Risiken betroffen. Das inländische Wealth Management und Retailbanking könnten profitieren, während internationale Bereiche wie das Grosskundengeschäft oder das Asset Management die Unsicherheit spüren könnten, zum Beispiel in Form von Umsatzeinbussen. Ein geopolitischer Risikorahmen mit Szenarioanalysen kann den Banken helfen, komplexe Zusammenhänge einfacher zu erkennen und gezielt darauf zu reagieren.

Was wäre Ihr abschließendes Fazit?

Das ist von Bank zu Bank unterschiedlich. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass sich der Schweizer Finanzplatz rasch auf neue Herausforderungen einstellen kann. Dank ihrer Flexibilität und Innovationskraft haben die Banken im Land ihre Stabilität weitgehend bewahrt. Im aktuellen Umfeld und mit Blick auf eine Weltordnung, die sich permanent ändert, ist gerade diese Anpassungsfähigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Dafür brauchen die Banken – aber auch die Politik und die Behörden – ein aktives und umfassendes Risikomanagement.

Sehr geehrter Herr Dr. Benz, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Bei weiter gehendem Interesse an der Studie kontaktieren Sie uns gerne.

Wir stellen Ihnen die Ergebnisse im Detail vor.

Sprechen Sie uns gerne an!

Dr. Dirk Holländer / Autor BankingHub

Dr. Dirk Holländer

Leitung zeb.business school, Frankfurt

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