Veröffentlicht in Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 21/2013
Drei Problemkreise
Zunächst hatten die staatlichen Bankenrettungen infolge der Finanzkrise von 2007/2008 vor allem zur Erkenntnis geführt, dass
- das bisherige Regelwerk nicht ausreichend war, die Kredit- und Liquiditätsrisiken eines Institutes in einem im Verhältnis zum Eigenkapital akzeptablen Rahmen zu halten,
- nationale Aufsichten einem globalen Deregulierungswettbewerb unterlagen, in dem Aufseher sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollten, den heimischen Standort durch zu strenge, „altmodische“ Regulierungen in das Abseits zu manövrieren. Insbesondere die nahezu völlige Vernachlässigung der Reglementierung des Liquiditätsrisikos in allen westlichen Industrienationen erwies sich als ebenso fatal wie das Ausscheren der USA bei Basel II. Hinzu kam, dass die Bankenaufsicht eine weitgehend nationale Angelegenheit blieb, während mehrere Hundert Großinstitute global agierten,
- die Rettungen von insolventen Instituten durch nationale Regierungen zwar Kettenreaktionen im Markt verhinderten, in der Folge aber massive Budgetprobleme der rettenden Staaten und Wettbewerbsverzerrungen durch „untote“ Institute – inzwischen auch „Zombie-Banks“ genannt – schufen,
- in den meisten Ländern keine institutionalisierte Einlagensicherung bestand und die Regierungen deshalb zu Schutzversprechen gezwungen waren. Wo sich später herausstellte, dass ein solches Versprechen nicht durch die nötige Finanzkraft abgesichert war, stimmen die Sparer „mit den Füßen ab“, das heißt sie entscheiden sich zur Verlagerung ihrer Guthaben in Länder mit höherer Absicherungschance.
Während die beiden erstgenannten Problemkreise „Regelwerk und Aufsicht“ mehr oder minder alle G20-Länder betrafen und zu umgehenden Konsultationen über neue gemeinsame, verschärfte Regelwerke führten, stellten die Problemkreise der „Rettungen“ (über 1600 Milliarden Euro in der EU) und der Einlagensicherung eher ein europäisches Problem dar. Auch sollte sich die Einlegerflucht erst mit einer gewissen Zeitverzögerung, das heißt mit der „Griechen-Krise“ von 2010 als schlagendes Risiko manifestieren.
Drei Sicherheitsnetze
Inzwischen hat sich ein gewisser Grundkonsens herausgebildet, dass die Re-Regulierung darin bestehen wird, ein mehrstufiges Sicherheitsnetz zu spannen:
Das erste Netz
… soll Banken besser davor bewahren, dass sie insolvent werden. Bekanntlich sind die wesentlichen Auslöser einer Insolvenz der Verzehr des Eigenkapitals und Mangel an Liquidität. Wenn man die Regelwerke der Epoche der fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts studiert, fällt auf, dass es mit Mindestreserveregeln, Liquiditätskennziffern und anderen Instrumenten wie „compensating balances“ einen recht durchdachten Schutzzaun gab, der aber später weitestgehend abgeschafft wurde. Hier werden jetzt im Rahmen von „Basel III“ neue Regeln eingeführt, die einen sorglosen Umgang mit Liquiditätsvorsorge verhindern sollen.
In Bezug auf die Frage eines ausreichenden Eigenkapitals hat man im Rahmen von „Basel III“ das bereits vorhandene System, nach dem eine Bank ein „sicheres“ Verhältnis zwischen eingegangenen Risiken und haftenden Eigenmitteln einhalten sollte, an zwei Stellen grundlegend verschärft: Zum einen wurde der Eigenkapitalquotient erhöht, zum anderen wurde die Liste der Instrumente, die als Eigenkapital gelten dürfen, überarbeitet und wesentlich eingeschränkt.
Was bislang jedoch (noch) nicht grundsätzlich angepasst wurde, ist die Art und Weise, wie Banken die dem Kapital gegenüber zu stellenden Risikopositionen berechnen dürfen: die Berechnung der Gewichtung auf Basis Bank-interner Risikomodelle. Solche eigenen Berechnungen, die für gleiche Risiken bei unterschiedlichen Instituten durchaus zu unterschiedlichen Werten führen können, waren den Banken im Rahmen der Basel-II-Deregulierung erlaubt worden, nachdem zuvor fixe Gewichtungen von der Aufsicht vorgeschrieben waren (zum Beispiel für Hypothekenkredite 50 Prozent). Gewissermaßen als Rückgriff auf die alten Regeln wurde nunmehr eine Leverage Ratio eingeführt, die die Bruttosumme aller Risikoaktiva – also ohne jedwede Abschläge – auf das 33-fache des Eigenkapitals limitiert. Zusätzlich ist die aufsichtsrechtliche Vereinheitlichung der Risikomodelle im Gespräch.
Das zweite Netz
… soll die Fälle regeln, in denen das erste Netz nicht hält und eine Bank trotz der genannten Regeln pleitegeht. Es soll verhindern, dass der jeweilige Staat einspringen und für die Schulden der insolventen Bank geradestehen muss und damit die Steuerzahler zur Kasse gebeten und gegebenenfalls die gesamten Staatsfinanzen zerrüttet werden (Beispiele Irland, Zypern). Die Regeln für das zweite Netz sind noch in der Diskussion und sind politisch besonders brisant, weil sie letztlich den Schaden auf Geldgeber abwälzen, die ihrerseits schutzbedürftig sind wie zum Beispiel Sparer, Pensionskassen, Lebensversicherungen. Auch greifen solche Regeln in das jeweilige nationale Insolvenzrecht ein und können nicht einfach von Basel oder Brüssel aus „verordnet“ werden.
Mehr ein Anliegen der Europäer
Während für das erste Netz im Rahmen der G20 weitgehend einheitliche Regeln für die 20 wichtigsten Industrieländer weltweit entwickelt wurden und als „Basel III“ eingeführt werden, ist das zweite Netz mehr ein Anliegen der Europäer. Auf dem Kontinent sind Banken häufig keine Aktiengesellschaften und/oder nicht börsennotiert, sondern in staatlichen beziehungsweise genossenschaftlichen Rechtsformen organisiert und/oder in Staatsbesitz. Das bedeutet, dass eine Rückkehr der vom Staat gestützten Institute an den Kapitalmarkt meist nicht ohne Weiteres möglich ist. Die USA dagegen haben die von der Regierung in 2008 massiv gestützten börsen-notierten Institute wieder reprivatisieren können, meist ohne Verluste für den Steuerzahler.
Das dritte Netz
… schließlich soll den Durchschnittsbürger schützen, der ohne besondere Kenntnisse der Bankenbonität sein Geld einer Bank als Einlage anvertraut, wenn die Netze 1 und 2 reißen. Während die USA und Kanada hier seit der Krise der 1930er Jahre den Weg einer Einlagenversicherung gehen, haben sich die Europäer bislang nur auf eine staatliche Garantie bis 100000 Euro einigen können, was natürlich im Widerspruch zu den Zielen des zweiten Netzes steht.
In Deutschland gibt es für die drei Institutsgruppen sogenannte Sicherungssysteme, die im Wesentlichen Solidarverpflichtungen innerhalb der jeweiligen Gruppe darstellen – welche Reserven hier tatsächlich im „Versicherungsfall“ zur Verfügung stehen, ist wenig transparent. Die drei Netze in ihrer Gesamtheit werden heute in Europa als „Bankenunion“ bezeichnet.
G20 und Financial Stability Board
Der Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarktes 2007/2008 führte zu einer Kettenreaktion, die die europäische Bankenbranche nachhaltig und in hohem Ausmaß beschädigte. Im Sog der sich anschließenden Analyse des Geschehens durch die Politik, die ökonomische Wissenschaft sowie die Betroffenen wurde eine Flut von Artikeln und Monografien publiziert, die im Kern eine Reihe von Ursachen beziehungsweise Verursachern identifizierten, die in unglückseliger Verkettung zum Desaster führten:
- Als Kernzelle der fatalen Dynamik wurde das Streben der Bankmanager nach kurzfristigem Gewinn in Form von überzogenen Eigenkapitalrenditen ausgemacht: Renditen, die in der produzierenden Industrie durchaus erzielbar, im Regelfall mit dem gewöhnlichen Bankgeschäft aber nicht zu verdienen waren.
- Eine viel zu lange fortgesetzte expansive Geldpolitik in den USA, die sich für Blasenbildungen im Immobilienmarkt nicht interessierte, kombiniert mit erheblichen Handelsbilanz-Ungleichgewichten der USA zu ihren Handelspartnern, die durch massiven Zustrom von Kapital in die USA kompensiert wurden und die Überliquidität weiter erhöhten.
- Die zunehmende Praxis der Mobilisierung von Bankaktiva, die dem Bankensystem eine Vervielfachung ihrer Kreditproduktion bei gleichzeitigem „Abladen“ der intransparenten Risiken auf renditehungrige ausländische Banken erlaubte.
- Erheblich begünstigt wurde die Verbriefungspraxis durch die extreme Ratinggläubigkeit des Marktes und der Aufseher. So förderten die drei großen Agenturen mit ihren Top-Noten für verschachtelte Verbriefungsstrukturen die Akzeptanz von Produkten, die später als „toxisch“ Berühmtheit erlangen sollten.
Mit Ausnahme des geldpolitischen Themas widmeten sich die Staatschefs der Triade Nordamerika-Europa-Japan dem gesamten Ursachenbündel, als sie 2009 von den führenden Schwellenländern in der nunmehr erweiterten G20 aufgefordert wurden, ihre Kontrolle über den Finanzsektor so zu verbessern, dass sich Krisen wie diejenige von 2008 nicht wiederholen können. Auf dem Gipfel von Pittsburgh wurde ein Rahmenwerk für eine harmonisierte Re-Regulierung des Bankwesens verabschiedet, dessen Umsetzung im Detail dem Financial Stability Board (FSB) der G20 übertragen wurde. Der FSB tagt seither zweimal jährlich mit den Regierungschefs der G20, um über den Fortschritt in der Umsetzung der Reformen zu berichten. Die wichtigsten Teilbereiche, in denen der FSB sich auf den Baseler Ausschuss stützte, waren zunächst die Reformpakete Basel 2.5 und Basel III. Aktuell bemüht sich der FSB um einheitliche Regeln bei der Regulierung von Schattenbanken und der Schaffung von Transparenz und Handelsplattformen für den Bereich der Derivat-Geschäfte
Populistische Akrobatik ohne Netz
Basel III weist einen erheblichen Schwachpunkt auf, der aus dem alten Regelwerk unverändert übernommen wurde: Kredite an die Staaten der OECD können weiterhin mit Null gewichtet werden, das heißt, eine Kapitalunterlegung ist nicht erforderlich. Damit wurde ein zentraler Schwachpunkt, der das europäische Bankensystem äußerst krisenanfällig macht, von der Politik – ausnahmsweise einmal ohne nationale Differenzen – im Eigeninteresse ausgeklammert.
Traditionell bringen europäische Regierungen ihre Staatsschulden zu großen Teilen im eigenen Bankenapparat unter. Anders als die USA, die ihre Staatsschuld bei ihren nah- und fernöstlichen Handelspartnern untergebracht haben, laden europäische Regierungen große Teile ihrer Schulden bei den heimischen Banken ab. Die Folge sind erhöhte, mit Eigenkapital nicht unterlegte Kreditrisiken, die wiederum die Risikoposition der Haftenden in den Netzen 2 und 3 erhöhen. Nachdem Bedenken in Hinblick auf diese Regulierungslücke lange nur in akademischen Kreisen geäußert wurden, wird die Unterlegung des Staatsrisikos durch Eigenkapital nunmehr auch vom Präsidenten der Bundesbank gefordert.
Pläne für das zweite Netz: Bail-in und Asset Encumbrance
In Bezug auf die Netze 2 und 3 sind sich europäische Politiker wohl einig, dass die Schaffung einer „Bankenunion“ eine wesentliche Voraussetzung für die Überwindung der Krise der Union und ihrer Gemeinschaftswährung ist. Sie sind in den finanzstarken Ländern aber wenig geneigt, Mittel für eine gemeinschaftliche Bewältigung der Probleme zur Verfügung zu stellen oder nationale Kompetenzen abzugeben, insbesondere wenn nationale Wahlen anstehen. Teilweise – wie zum Beispiel bei der Frage des Trennbankensystems – laufen nationale Regelungen sogar in Konkurrenz zu Vorschlägen beziehungsweise Überlegungen der Union.
ängst sind auch nicht mehr alle Maßnahmen dem Ziel der Prävention von systemischen Risiken im globalen Finanzsystem untergeordnet, sondern dienen eher anderen Zielen, zum Beispiel im fiskalischen oder wahltaktischen Bereich. Als Beispiel sei die Finanztransaktionsteuer genannt, die in einem Teil der EU eingeführt werden soll und die letztlich eine zusätzliche Umsatzsteuer für Bankkunden darstellt. Auch die Limitierungen von Gehältern und Boni sind Maßnahmen, die wohl eher einen sozialpolitischen Hintergrund haben, statt Bankmanager zu verantwortungsvollerem Handeln anzuleiten. Beide Maßnahmen sind eher geeignet, eine „Finanzplatz-Arbitrage“ zu fördern, die man mit koordiniertem Vorgehen hätte vermeiden können.
Nachdem es – mit der Ausnahme von Lehman – geübte Praxis der Staaten auf beiden Seiten des Atlantiks war, insolvente Banken mit Steuermitteln zu retten, um systemische Risiken zu vermeiden (wie sie dann der Lehman-Fall lehrbuchhaft offenbart hat), ist die politische Stimmung seit der Lösung der Zypern-Krise zugunsten einer Einbindung der Geldgeber gekippt (zweites Netz). Nach dem Fallenlassen der Lehman-Bank durch die US-Regierung in 2008 und dem Bruch der No-Bail-out-Klausel in der Europäischen Währungsgemeinschaft war die Einbeziehung von Einlegern in die Haftung für die insolvente Cyprus Popular Bank der dritte gravierende Paradigmenwechsel seit Ausbruch der Finanzkrise.
Grundsätzlich ist gegen ein Bail-in der Risikokapitalgeber nichts einzuwenden, denn eine Rettung aus Staatsmitteln ist angesichts der erreichten Dimensionen nicht mehr darstellbar. Die Professoren Hau und Sinn haben errechnet, dass sich die Schulden der Banken in den sechs Krisenländern auf 9 400 Milliarden Euro belaufen, was fast dem Dreifachen der Staatsschuld dieser Länder entspricht. Auch sollten Investoren, die Eigenkapital, Eigenkapital-Surrogate und unbesicherte Schuldverschreibungen von Banken zeichnen, das Risiko kennen und sich eine adäquate Risikoprämie sichern. Die Probleme beginnen jedoch da, wo die Annullierung des Risikokapitals und der unbesicherten Anleihen im Insolvenzfall nicht ausreicht, die übrigen Gläubiger zu befriedigen. Und dies kann trotz verschärfter Eigenkapitalregeln nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
Krisenverschärfende Effekte nicht ausgeschlossen
Die Lehman-Pleite von 2008 hat gezeigt, welche Kettenreaktionen dann greifen: Der Geldmarkt hört faktisch auf zu existieren. Die Banken tragen ihre Gelder zur Zentralbank, die wiederum den Instituten mit kurzfristigem Kreditbedarf Mittel zur Verfügung stellen muss, um die Funktionsfähigkeit des Marktes zu gewährleisten. Würde der Einlegerschutz durch ein Bail-in von Einlagen aufgehoben, würden sich diese Einleger nach anderen Anlageformen für ihre Ersparnisse umsehen müssen; entsprechend werden dem Bankensystem massiv Mittel entzogen. Nun wird vonseiten der Politik die magische Grenze von 100000 Euro gezogen; darunter sind die Finanzminister (bislang) noch bereit, die Staatskasse in Anspruch zu nehmen.
Wozu würde eine solche Regelung eines Bail-in von Depositen über 100000 Euro führen? Zum einen würden Anleger ihre Einlagen stückeln und auf mehr Institute verteilen. Das begünstigt letztlich die schwächeren Institute. Da der Staat ja noch die kleinste Bank bis 100000 pro Kunde absichert, kann dem Einleger die Bonität unter dieser Schwelle völlig egal sein. Soweit Einlegern dieser Stückelungsprozess zu mühselig wird, werden sie andere Anlageformen suchen und somit entweder dem Bankensystem Mittel entziehen (Anlage in Emissionen von Nichtbanken, Anlage bei Schattenbanken) oder aber ihre Einlagen in Staaten verschieben, die das europäische Bail-in nicht mitmachen, denn Kapitalverkehrskontrollen soll es ja nun wirklich nicht wieder geben. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass ein Bail-in von Einlegern in finanzschwachen Ländern krisenverschärfende Effekte auslöst. Es würde ein ohnehin bereits in Gang gesetzter Trend verstärkt.
So berichtet die Financial Times am 2. Juli 2013 einen Rückgang der Einlagen: in Irland um 62 Prozent (seit Ende 2008), in Italien um 37 Prozent (seit dem dritten Quartal 2008), in Spanien um 32 Prozent (seit Mitte 2011), in Portugal um 46 Prozent (seit Ende 2007), in Griechenland um 48 Prozent (seit Mitte 2010) und in Zypern um 52 Prozent (seit Mitte 2010). Mit einer Verschärfung dieses Trends muss vor allem in dem Fall gerechnet werden, in dem die neue, bei der EZB angesiedelte Bankenaufsicht nach Abschluss ihrer Erstprüfung der Großinstitute zum Schluss kommt, dass Handlungsbedarf im Einzelfall besteht, die Staatschefs der EU zu diesem Zeitpunkt aber noch keinen funktionsfähigen Abwicklungsmechanismus erfunden haben.
Ein anderer Bereich, der noch der Regulierung bedarf, ist die zunehmende Verpfändung von Bankvermögenswerten zugunsten von Gläubigern besicherter Anleihen. In Zeiten zunehmender Nervosität reduziert sich die Risikobereitschaft der Investoren, mit der Folge, dass Banken häufig nur noch besicherte Refinanzierungsinstrumente wie Pfandbriefe und Covered Bonds verkaufen können. Je mehr solche Instrumente emittiert werden, desto weniger Masse bleibt für die unbesicherten Gläubiger übrig, letztlich also ein massives Problem für die – geplante – Einlagensicherung.
Der wichtigste Geschäftspartner, der rein auf Verpfändungsbasis operiert, ist dabei die Zentralbank EZB. Den Verpfändungsanteil an der Bilanzsumme berichtet die FAZ am 28. Mai 13 mit fast 40 Prozent für griechische Banken, rund 25 Prozent für spanische Banken und fast 20 Prozent für irische und portugiesische Banken. Es folgen Italien, Deutschland und Frankreich um die zehn Prozent. Analog den Regeln in den USA wird man am Ende um Limitierungen nicht herumkommen.
Langfristige Auswirkungen auf den Bankensektor
Die Auswirkungen der neuen Regelwerke auf den europäischen Bankensektor sind heute schon in ersten Effekten durchaus sichtbar, eine langfristige Abschätzung erfolgt jedoch in den seltensten Fällen:
Die neuen Basel-III-Regeln zwingen die Banken zu einer Verstärkung ihrer Eigenkapitalbasis, allerdings nicht in absoluten Zahlen, sondern relativ zum Geschäftsvolumen. Eine solche Kapitalstärkung kann grundsätzlich auf drei Wegen erfolgen: Aufnahme neuen Kapitals, Thesaurierung von Gewinnen und/oder Reduzierung des Geschäftsvolumens. Angesichts eines gegenüber Banken kritischen Kapitalmarktes (wer kann schon die Kosten der vollständigen Re-Regulierung auf das einzelne Institut halbwegs vernünftig abschätzen?), der Rechtsformproblematik kommunaler, staatlicher und genossenschaftlicher Institute und des Länderrisikos bei südeuropäischen Banken ist den meisten Banken auf dem europäischen Kontinent die Aufnahme neuen Kapitals weitgehend verschlossen. Auch zwingt sie der Abfluss von Einlagen, wie dargestellt, zum Deleveraging. Sie müssen also ihr Geschäftsvolumen erheblich reduzieren.
Inzwischen hat man erkannt, dass ein solcher Schrumpfungsprozess nicht nur für die (relative) Eigenkapitalstärkung der einzelnen Bank wichtig ist, sondern auch für die Bankensysteme als Ganzes: Jede Chance auf staatliche Rettung – in welcher Form auch immer – geht gegen Null, wenn der infrage stehende Schuldenberg des Bankensystems die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft überfordert. Während die Bilanzsumme des US-Bankensystems in etwa dem Bruttosozialprodukt (BSP) entspricht, entspricht sie im Falle von Japan, Kanada und Australien rund der Hälfte des BSP und in Europa sogar dem dreieinhalbfachen BSP.
Ein forciertes Deleveraging führt zwangsläufig entweder zu Versorgungsengpässen (Credit Crunch) oder zum Ausweichen der Nachfrage auf andere Märkte, insbesondere auf Kapitalmärkte (Corporate Bonds), wo institutionelle Investoren einschließlich der Staatsfonds, Hedgefonds und Private-Equity-Firmen die Rolle der Banken sukzessive übernehmen. Sofern die Gesetzgeber dann neue Regularien für diese Investorengruppen schaffen, so wie es zum Beispiel das deutsche Trennbankengesetz für Geschäfte der Banken mit Hedgefonds vorsieht, wird dieser Transformationsprozess ernsthaft gefährdet.
Banken, die als Aktienbanken frisches Kapital aufnehmen könnten, müssen dazu eine attraktive Rentabilität vorweisen. Wie insbesondere die britischen Banken zeigen, ist dies in Zeiten eines Null-Zins-Niveaus im klassischen Bankgeschäft nicht oder nicht im ausreichenden Umfang möglich. Hier leiden vor allem diejenigen Institute, die sich während der Krise auf ihre nationalen Märkte zurückgezogen hatten und denen jetzt die Erträge aus dem Emerging-Markets- oder US-Geschäft fehlen. Diesen Instituten würde letztlich nur helfen, wenn sich die Aufseher zum Schutz der Bankenrentabilität zur Wiedereinführung wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen durchringen könnten (wie Regulation Q oder das deutsche Habenzins-Abkommen, durch die die Einlagenzinssätze nach oben begrenzt wurden). Dies ist in jedoch nicht mehr zeitgemäß und angesichts globaler Wettbewerber auch nicht mehr darstellbar. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass sich der Konzentrationsprozess im Bankensektor weiter fortsetzen wird.