Für alle, die sich den Podcast nicht angehört haben, möchten wir unseren heutigen Interviewpartner kurz vorstellen:
Lars Walter arbeitet für die Firma Euronet, einen der größten unabhängigen Geldautomatenbetreiber in Deutschland. Euronet ist ein global agierender Zahlungsdienstleister, der u. a. auf den Betrieb von Geldautomaten – auch für Finanzinstitute – spezialisiert ist.
Sein Netzwerk umfasst deutschlandweit mehr als 2.000 Geldautomaten und Einzahlungsgeräte.
Marktveränderungen und Wettbewerb
Sehr geehrter Herr Walter, vielen Dank, dass Sie sich nach dem Podcast noch einmal Zeit nehmen und uns weitere Fragen zum Thema „Die Zukunft des Bargelds“ beantworten.
Kommen wir zur ersten Frage. Auch im Jahr 2024 setzte sich der Filialschließungstrend fort – dadurch nimmt die Verfügbarkeit von Geldautomaten ab. Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesem Trend und was bedeutet das für die Positionierung der Banken und Geldautomatenbetreiber? Kann man hier von einer schleichenden Abschaffung des Bargelds sprechen?
Der Abbau von Geldautomaten hat gerade erst begonnen und wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Hohe Kosten, steigende Risiken und Personalmangel bei Banken und Dienstleistern führen unweigerlich zur Reduzierung der verfügbaren Selbstbedienungsstandorte (SB-Standorte bzw. Geldautomaten).
Laut der Deutschen Bundesbank ist im Zeitraum vom ersten Halbjahr 2022 bis zum ersten Halbjahr 2024 die Anzahl der Geldautomaten um 3.880 gesunken. Dies entspricht einem Rückgang von rund 7 % in drei Jahren.[1] Die sinkende Anzahl an Geldautomaten hat direkte Auswirkungen auf Banken, Bankkund:innen, die Bevölkerung und Geldautomatenbetreiber.
Banken senken ihre Kosten und verlieren gleichzeitig ihre Kontaktpunkte zu den Kund:innen. Für die Kundschaft fehlt ein wichtiges Serviceangebot ihrer Bank – die Möglichkeit, Bargeld abzuheben. Ebenso hat sich in den letzten Jahren die Bargeldabhebung für die gesamte Bevölkerung zur Herausforderung entwickelt, da sowohl auf dem Land als auch in Großstädten Geldautomaten fehlen. Auf Geldautomatenbetreibern ruht durch den Rückzug der Banken eine noch größere Verantwortung: die wachsenden Lücken in der Bargeldversorgung zu schließen. Hierfür bedarf es Lösungen wie neuer Betreiberkonzepte und Kooperationen.
Der Rückgang der Geldautomatenanzahl ist keine schleichende Abschaffung des Bargelds. Jedoch wird durch das Fehlen von Automaten der Zugang zu Bargeld deutlich erschwert, und der fehlende Zugang kann zu einem Rückgang der Bargeldnutzung führen.
In anderen Ländern wie Österreich ist die Bargeldversorgung an Geldautomaten für Endkund:innen größtenteils kostenlos. Wie beurteilen Sie die Nachhaltigkeit dieses Modells vor dem Hintergrund steigender Betriebskosten?
Für den Betrieb von Geldautomaten fallen Kosten an, u. a. für technische Wartungen, Strom, Absicherung oder die Bestückung mit Bargeld. Mit Blick auf den Anstieg der Kosten erscheint die dauerhafte und entgeltfreie Bargeldversorgung nicht nachhaltig. Sollte am Modell der kostenfreien Bargeldversorgung festgehalten werden, stellt sich die Frage, ob anfallenden und steigenden Kosten durch eine Reduzierung der Bargeldbezugsstellen – den Abbau von Geldautomaten – entgegengewirkt wird. Die Thematik des Entgelts ist sehr sensibel, und für die nähere oder weiter entfernte Zukunft ist diese zur Deckung der entstehenden Kosten nicht gänzlich auszuschließen.
In Deutschland ist die Bargeldverfügung für Bankkund:innen an den Geldautomaten der Hausbank teilweise ebenfalls kostenlos. Doch angesichts steigender Betriebskosten und schwieriger Rahmenbedingungen denken Banken zunehmend um. Neben dem Abbau von Geldautomaten diskutieren Kreditinstitute die Bepreisung von Bargeldeinzahlungen und -auszahlungen.
Unter dem Gesichtspunkt der steigenden Betriebskosten ist auch die Interchange Fee zu betrachten. Zahlreiche Banken und Direkt-/Onlinebanken nutzen die Produkte von Visa und Mastercard, um ihren Kund:innen die kostenlose Bargeldabhebung zu ermöglichen. Während die Kund:innen Geldautomaten anderer Banken und Betreiber nutzen, zahlen sie keine Gebühren. Stattdessen entrichten Visa und Mastercard für jede Transaktion die Interchange Fee an Geldautomatenbetreiber und Banken.
Die Interchange Fees sind in der Vergangenheit eher gefallen als gestiegen, doch die Kosten für den Betrieb von Geldautomaten steigen. Wir setzen uns für eine sinnvolle Anpassung der Interchange Fee ein, damit die Bargeldversorgung in Zukunft flächendeckend gesichert werden kann und die Nutzung von Geldautomaten durch Kund:innen anderer Institute zu einem fairen Preis stattfindet.
Wie bewerten Sie die Einführung digitaler Zahlungslösungen und die globale Entwicklung der Bargeldnutzung und -abhebungen? Welche Faktoren begünstigen diese Entwicklung?
Digitale Zahlungslösungen werden immer beliebter, da sie einfach und schnell sind. Laut einer Bundesbank-Studie vom 01.07.2024 ist Bargeld mit 51 % aller Transaktionen weiterhin das meistgenutzte Zahlungsmittel in Deutschland.[2]
Für Bargeld sprechen viele Gründe:
- Bargeld hat eine hohe Akzeptanz als Zahlungsmittel,
- schützt unsere Privatsphäre, da keine Daten erhoben/gespeichert werden, und
- schafft eine gute Übersicht zur Verwaltung des monatlichen Budgets.
Aus der Erhebung der Bundesbank „Wie Bargeld in der Zukunft genutzt wird“ geht hervor, dass 93 % aller befragten Studienteilnehmenden auch im Jahr 2037 Bargeld als Zahlungsmittel zur Verfügung haben möchten. Das ist ein klares Bekenntnis zum Erhalt des Bargelds.[3]
Dies gilt für die gesamte DACH-Region, wie eine YouGov-Studie belegt. 2025 gaben im Rahmen der Studie 89 % der Teilnehmenden an, dass sie zu keiner Bank wechseln werden, wenn ihnen diese keine Möglichkeit zur Bargeldabhebung bietet. Noch deutlicher wird das Studienergebnis im Vergleich zu 2023. Damals waren es 85 %, die auf die Verfügbarkeit eines Geldautomaten bestanden haben.[4]
Der Fokus von Bankkund:innen und Geldautomatennutzenden liegt deshalb eindeutig auf der Möglichkeit und der Option, Bargeld abzuheben und einzuzahlen. Genau auf diese Services und eine sehr hohe Verfügbarkeit der Geldautomaten konzentrieren wir uns. Hierfür wird der Prüfung und Etablierung neuer Kooperationsmodelle zur Erhaltung von Geldautomaten deutlicher Nachdruck verliehen.
Global betrachtet zeigt sich, dass die Bargeldnutzung von drei Hauptfaktoren bestimmt wird:
- Digitale Infrastruktur: In Regionen mit flächendeckend gutem Internet nimmt die Nutzung digitaler Zahlungen zu.
- Gesellschaftliche Gewohnheiten: Bargeld bleibt ein fester Bestandteil des täglichen Lebens, wenn auch in unterschiedlicher Intensität in verschiedenen Ländern und Regionen, abhängig von gesellschaftlichen Gewohnheiten.
- Politische Entscheidungen: Regierungen fördern den Übergang zu bargeldlosen Zahlungen. Inzwischen sehen wir jedoch auch Vorschriften, die Bargeld schützen sollen. Selbst in Skandinavien, wo digitale Zahlungen weitverbreitet sind, wurden Banken nun verpflichtet, wieder mehr Geldautomaten bereitzustellen, um die Bargeldversorgung in Krisenzeiten sicherzustellen.
- Die Bedeutung verschiedener Zahlungsmöglichkeiten: Sowohl die Verbraucher:innen als auch die Regierungen erkennen zunehmend, dass Bargeld als Zahlungsmöglichkeit von grundlegender Bedeutung ist, da es das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft gewährleistet.
BankingHub-Newsletter
Analysen, Artikel sowie Interviews rund um Trends und Innovationen im Banking alle 2-3 Wochen direkt in Ihr Postfach
„(erforderlich)“ zeigt erforderliche Felder an
Sicherheit
Einbrüche und Sprengungen von Geldautomaten sorgen in Filialen für hohe Sachschäden. (95 Millionen Euro Sachschäden im Jahr 2023 für Banken durch Sprengungen: Auf jeden entwendeten Euro an Bargeld entstehen 2–3 Euro Schaden an der Infrastruktur.) Welche Maßnahmen und Trends sind zu beobachten, um eine sichere Bargeldversorgung zu gewährleisten?
Die Banken investieren enorme Summen, um ihre Geldautomaten gegen Angriffe noch besser abzusichern. Die permanente Aufrüstung der Geräte und neue Sicherheitsmaßnahmen sind teuer und lösen das Grundproblem – Angriffe auf Geldautomaten bzw. das Bargeld in den Automaten – nicht dauerhaft. Es gibt zwei zentrale Ansätze, die für mehr Sicherheit sorgen könnten:
- Standardisierte Sicherheitskonzepte: Wenn alle Automaten einem einheitlichen Schutzstandard entsprechen und potenzielle Täter:innen wissen, dass eine Sprengung kaum noch eine lohnende Beute bringt, verliert diese Angriffsform an Attraktivität.
- Politische Rahmenbedingungen: Es muss sichergestellt werden, dass Täter:innen nicht einfach mit Sprengstoff einreisen und nach einer schweren Straftat unbehelligt das Land verlassen können.[5] Hier ist die Politik gefragt, strengere Maßnahmen zur Verhinderung solcher Taten zu ergreifen.
Aktuell werden Banken für Angriffe auf Geldautomaten verantwortlich gemacht, und Vorwürfe werden laut, dass diese zu wenig in die Sicherheit der Automaten investieren. Doch Kreditinstitute investieren seit jeher hohe Beträge in die Absicherung von Geldautomaten, u. a. in robuste Tresore, Vernebelungsanlagen, die Einfärbung von Bargeld, Alarmsysteme mit direkter Aufschaltung an Polizeileitstellen oder auch private Sicherheitsdienste. Dies schreckt Täter:innen aber nicht ab, da Angriffe auf Geldautomaten milde Strafen nach sich ziehen. Es sind Kriminelle, die versuchen, Geldautomaten aufzubrechen, und diesen sollte entgegengewirkt werden, anstatt Geldautomaten – die bereits unzählige moderne Sicherungssysteme aufweisen – in regelrechte Schutzbunker umzufunktionieren.
Technologische Innovationen und Trends
Die Implementierung des digitalen Euros und anderer regulatorischer Neuerungen wird mit hohen Investitionskosten für technische Infrastruktur verbunden sein. Welche Auswirkungen hat dies auf Banken im Hinblick auf eine mögliche Auslagerung oder Zentralisierung von Geldautomaten? Halten Sie es für denkbar oder sinnvoll, dass Banken ihr gesamtes ATM-Netzwerk zur Wartung an externe Dienstleister abgeben?
Schon heute gestaltet sich der eigenständige Betrieb von Geldautomaten für viele Banken als zunehmend herausfordernd. Es stellt sich die Frage, warum jede Bank weiterhin ein eigenes, vollumfänglich betreutes Netzwerk aufrechterhalten sollte. In Ländern wie der Schweiz, Großbritannien und den Niederlanden werden bereits gemeinsame Geldautomatennetze genutzt oder aufgebaut.
Euronet verfolgt den Ansatz, flächendeckend Geldautomaten bereitzustellen, die allen Bankkund:innen zur Verfügung stehen. Das schafft Synergien, senkt die Kosten und entlastet Banken spürbar – insbesondere mit Blick auf bevorstehende Investitionen.
Die vollständige Auslagerung des Geldautomatenbetriebs an einen spezialisierten Dienstleister ist daher nicht nur denkbar, sondern eine logische Konsequenz.
Gerade vor dem Hintergrund wachsender Anforderungen an technische Modernisierung und Investitionssicherheit bietet ein externer Betrieb planbare Kosten, regulatorische Entlastung und langfristige Stabilität. Euronet investiert kontinuierlich in die Erneuerung seiner Geräteflotte und stellt sicher, dass gesetzliche Anforderungen – wie neue Sicherheitsstandards und die Verarbeitung der kommenden Eurobanknoten – rechtzeitig und zuverlässig umgesetzt werden.
Die Frage ist nicht, ob ein gemeinsames Netzwerk in Deutschland entstehen wird – sondern wann die Banken bereit sind, diesen Schritt zu gehen.
Zum Abschluss ein Blick in die Glaskugel: Künstliche Intelligenz ist derzeit ein großes Thema. Wie schätzen Sie ihre Rolle im Marktumfeld der nächsten 3–5 Jahre ein? Haben Sie bereits konkrete Use-Cases identifiziert?
Künstliche Intelligenz wird eine wichtige Rolle im Hintergrund von Geldautomatenbetreibern spielen, auch wenn sie den direkten Betrieb der Automaten selbst nicht stark beeinflussen wird. Ein konkreter Use-Case könnte sein, dass KI-gestützte Systeme es Servicedienstleistern ermöglichen, Ausfälle von Automaten frühzeitig zu erkennen, indem sie Muster und Anomalien analysieren. So könnten Ersatzteile automatisch bestellt oder Wartungsmaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden, bevor es zu einem tatsächlichen Ausfall kommt. Das würde die Verfügbarkeit der Automaten verbessern.
Auch im Bereich der Bargeldversorgung könnte KI helfen, Nachfragefluktuationen zu erkennen und in die Planung der Bargeldbestände einfließen zu lassen, um Engpässe oder Überbestände zu vermeiden. Insgesamt wird KI dazu beitragen, die Effizienz und Zuverlässigkeit im Betrieb zu steigern und Kosten zu senken.
Resümee zur Zukunft der Bargeldversorgung
Wir haben gesehen, dass der Rückgang der Geldautomaten und Filialen den Zugang zu Bargeld zwar erschwert, aber keineswegs das Ende des Bargelds bedeutet.
Im Gegenteil: Die Nachfrage nach Bargeld bleibt hoch, wie aktuelle Studien zeigen, und die Menschen wünschen sich auch in Zukunft diese Möglichkeit. Digitale Zahlungen werden zwar immer beliebter, doch Bargeld bleibt wegen seiner Akzeptanz, Anonymität und Übersichtlichkeit ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags.
Die Branche steht vor der Aufgabe, neue Kooperationsmodelle und Betreiberkonzepte zu entwickeln, um die Bargeldversorgung auch künftig sicherzustellen. Gleichzeitig bieten technologische Innovationen wie KI und der digitale Euro Chancen, Prozesse effizienter zu gestalten und das Angebot zu erweitern.
Am Ende wird es auf ein Nebeneinander von Bargeld und digitalen Zahlungen hinauslaufen – mit der Wahlfreiheit für die Verbraucher:innen im Mittelpunkt.