Digital (und Mobile) Wallets – Gute Gewinnchancen im Zahlungsverkehr, aber ungewisse Geschäftsmodelle
Bevor man über das Thema Digital (und Mobile) Wallets diskutieren kann, sollte man sich erst einmal über verwendete Begriffe einig werden, eine einheitliche Definition gibt es bis dato nicht. Im Zuge dieses Artikels verwenden wir daher folgende Definition:
Ein Digital Wallet ist ein System, welches Bezahlinformationen und Passwörter für mehrere Bezahlverfahren und Websites sicher speichert. Ein Mobile Wallet stellt zusätzlich die Verbindung mit mobilen Bezahlsystemen per Smartphone her.[1]
Zu Beginn des Jahres 2014 gab es in Deutschland ~20 Anbieter von Digital Wallets. Jedoch dürften es nur einige wenige (PayPal, YAPITAL, mpass und ggf. MyWallet) in das Bewusstsein der Endverbraucher geschafft haben. Grundsätzlich unterscheiden sie sich in ihrer „Mobilität“ (E/M-Commerce vs. stationärer Handel) und der genutzten Technologie (Internet, QR-Code, NFC) sofern sie mobil sind.
Im E/M-Commerce liegen die Vorteile klar auf der Hand: Sicherheit (insb. bei unbekannten Händlern) und Convenience. Im stationären Handel hängt es sehr stark von den jeweiligen Applikationen ab. Ausgereiftere Angebote schaffen es durchaus, in Sachen Schnelligkeit bekannte Verfahren wie Karten- und Barzahlung zu übertreffen. In Sachen Sicherheit argumentieren die Befürworter von Smartphones gerne mit einem doppelten Passwortschutz (Telefon- und Applikationspasswort), jedoch ist der Vorteil gegenüber Pin-geschützten Kartentransaktionen, wenn überhaupt existent, wohl eher zu vernachlässigen. Die Rückerstattungsmöglichkeiten bei Missbrauch dürften in jedem Fall geringer als bei Kreditkarten sein. Darüber hinaus sind am Bezahlmarkt starke Netzwerk- und noch stärkere Gewöhnungseffekte am Werk. Beide wirken dem Durchbruch neuer Bezahlverfahren erheblich entgegen.
Sofern sich allerdings das Wertversprechen insb. der Mobile Wallets im Sinne von Händlerakzeptanz, schnelleren Bezahlverfahren, lokalen Coupons, attraktiven Loyalitätsprogrammen und/oder Sicherheitsvorteilen verbessert, kann es mittelfristig eine signifikante Verschiebung des Zahlungsverhaltens in Richtung Digital Wallet geben.
Klar ist aber auch, dass sich nur einige wenige Anbieter durchsetzen werden.
Überraschend ist allerdings folgende Tatsache: Die Issuer haben sich bis heute nicht an dem Rennen beteiligt. Dies ist insbesondere deshalb verwunderlich, weil Banken im Gegensatz zu Technologie-, Handels- und Telekommunikationsunternehmen einige Asse im Ärmel haben:
- Bestehende Kunden- und Händlerbeziehungen
- Erfahrungen im Umgang mit Loyalitätsprogrammen (Kreditkarten)
- Existierende Abwicklungssysteme
- Starke Kompetenz im Risikomanagement
- Grundsätzlich hohes Vertrauen im Zahlungsverkehr
- Das Girokonto als Wallet-Rohling
Neue Innovationen mit Fokus auf Bargeldersatz und Convenience – Sicherheit unterrepräsentiert
In einer großangelegten Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) wurden die weltweiten Innovationen im Zahlungsverkehr kartographiert. Losgelöst davon, ob man sich Karten-, Online- und Mobilezahlungen angeschaut hat, ergab sich ein klares Bild. Innovationen im Bereich Bargeldsubstitution und Convenience lagen klar vorne. Im Mittelfeld befand sich die Optimierung von Prozesslaufzeit und -kosten sowie Sicherheit. Im Schlussfeld fanden sich Infrastrukturoptimierungen und sonstige Innovationen.
Dieses Bild ist zunächst nicht verwunderlich und die oben genannten Digital Wallets umfassen grundsätzlich alle genannten Felder.
Interessant ist aber, dass die Innovationsbemühungen in puncto Sicherheit im Vergleich zu der starken Kundenpräferenz für eben dieses Thema deutlich unterrepräsentiert sind. So hat eine Studie des E-Commerce Center Köln (ECC) herausgefunden, dass Sicherheit das wichtigste Auswahlkriterium für Online-Zahlungsmittel ist und auch die Bundesbank gibt an, dass Sicherheit bei Kartenzahlung zwar das Auswahlkriterium mit höchster Relevanz aber nur mittelmäßigem Erfüllungsgrad ist.
Insbesondere für Issuer sollte es deshalb interessant sein, dieses Marktpotenzial für sich zu erschließen.
Offene Übertragungsstandards im M-Payment – Welcher setzt sich durch?
In den letzten Jahren gab es zahlreiche M-Payment Initiativen in Deutschland und Europa. Ungefähr die Hälfte dieser Initiativen basieren auf der Nutzung von NFC. Ein Drittel verwendet hingegen QR-Codes oder kamerabasierte Verfahren. Sonstige Verfahren wie Geolocation, Telefonnummer oder separate Accounts werden hingegen kaum eingesetzt. Zulauf gewinnt darüber hinaus das neue iBeacon-Verfahren, welches eine genaue Ortung von Smartphones in geschlossenen Räumen erlaubt.
Auch wenn NFC aktuell im Sinne der Anzahl der Neueinführungen vorne liegt, ist hierdurch noch lange keine kritische Akzeptanzmasse abzuleiten. Vielmehr müssen alle Marktteilnehmer im Zahlungsumfeld kurz- bis mittelfristig eine technologieübergreifende Strategie verfolgen. Alternativ wird entweder ein zentraler Markttrend gänzlich verschlafen oder auf das falsche Pferd gesetzt.
Mit Fokus auf Kreditkarten ist die Rechnung glücklicherweise per Ausschlussverfahren etwas einfacher. Sofern man eine Kreditkarte nicht mit Kamera und QR-Lesefunktion ausstatten möchte, bleibt einem nur noch NFC. Da auch Akquirer und technische Standards wie SEPA sowie mehrere anderen mobile Bezahlverfahren mit auf dieses Pferd setzten, sollte dies zunächst eine recht sichere Wette sein. Allerdings gilt es zu beachten, dass NFC-fähige Kreditkarten auch nicht davor schützen, dass iBeacon oder andere Verfahren oder oben erwähnte Digital und Mobile Wallets die Kreditkarte zunehmend vom Point-of-Sale vertreiben.
Fazit
Grundsätzlich gibt es in den Bereichen Bargeldsubstitution und Convenience aktuell die meisten Innovationen (Digital Wallet umfasst beides). Eine merkliche Transformationswelle hat allerdings noch nicht stattgefunden. Normalerweise werden wirklich disruptive Transformationen aber auch erst im Nachhinein als solche erkannt.
Daher sollten sich Issuer ohne Berücksichtigung der individuellen Situation grundsätzlich am Digital Wallet Rennen beteiligen. Wahrscheinlich nicht als Full-Service-Anbieter, sondern eher als Dienstleister in den Bereichen Abwicklung, Risikomanagement und ggf. Branding. Darüber hinaus sollten sie verstärkt in Sicherheitsinnovationen investieren und vorerst auf NFC setzen.
In jedem Fall sollten sich Issuer aber beeilen, denn andere Marktteilnehmer schlafen nicht und haben sich bereits einen relevanten Vorsprung erarbeitet.