Sicherstellung der Integrität und Konsistenz von Daten
Erfahrungen zeigen, dass die Sicherstellung der Datenintegrität und ‑konsistenz die zentrale Herausforderung unter Solvency II ist. Integritätsprobleme resultieren aus einer Vielzahl von abteilungsübergreifenden Datenzulieferungen und Verarbeitungsketten sowie Redundanzen und Interdependenzen im Datenhaushalt. Der Verzicht einer Bereinigung von historisch gewachsenen Altdatenbeständen behindert die Integrität zusätzlich. Daraus resultieren Defizite in der Datenqualität, inkonsistente Datenmodelle, Schwierigkeiten bei der Aggregation von Informationen sowie eine mangelhafte Datenverfügbarkeit. Als Konsequenz entstehen Fehlinterpretationen von Kennzahlen, sehr aufwendige Nachberechnungen und ein nur schwer zu bewertendes Gesamtergebnis für die Steuerung.
Insgesamt wird die Sicherstellung der Datenintegrität in der Solvency-II-Umsetzung weitgehend unterschätzt. Abhilfe schaffen Aktivitäten, die ein zuverlässiges Datenmanagement gewährleisten. Dazu empfiehlt es sich, die aktuelle Systemlandschaft samt ihrer Datenflüsse in Form eines Inventars zu kategorisieren und fachlich zu harmonisieren. Auf Basis des harmonisierten Inventars kann ein unternehmens- oder konzernweites integriertes Datenmodell abgeleitet werden.
Reduzierung komplexer und zeitintensiver Datenaufbereitungsprozesse
Die Datenaufbereitungs- und Verarbeitungsprozesse in den Finance-&-Risk-Organisationen sind vielfach noch nicht auf einen verlässlichen „Solvency-II-Betrieb“ in der Linie ausgelegt. Sowohl die Zusammenführung von Daten aus heterogenen IT-Systemen als auch die Aufbereitung wird oftmals manuell umgesetzt. Datenzulieferungen von externen Dritten und eine mangelhafte Dokumentation der Abläufe erschweren die Prozesse zusätzlich. Daraus resultieren komplexe und sehr ressourcenintensive Prozesse – gleichzeitig bieten die manuellen und langwierigen Prozessschritte starkes Fehlerpotenzial.
Insgesamt wird die Komplexität der Datenaufbereitung und -verarbeitung vielfach nicht hinreichend berücksichtigt, sodass ein hohes Risiko für die dauerhafte Prozessstabilität besteht. Daher sollte der Automatisierungsgrad erhöht und in eine ganzheitliche IT-Lösung integriert werden. Anknüpfungspunkt dazu kann eine Kurzanalyse der bestehenden Solvency-II-Prozesslandschaft zur Identifikation sogenannter Geschwindigkeitsblocker sein. Ein ergänzendes Benchmarking der Solvency-II-Verarbeitungsdauern rundet die Kurzanalyse ab. Die Ergebnisse bilden die Basis zur Erarbeitung eines strukturierten, revisionssicheren Solvency-II-Prozessmodells. Identifizierte Geschwindigkeitsblocker bilden Anknüpfungspunkte für den Einsatz von automatisierten Datenimport- und Datenaufbereitungstools.
Implementierung ganzheitlicher Softwarelösungsansätze
Die bislang zum Einsatz kommenden Softwarelösungen konzentrieren sich vielfach nur auf die funktionale Korrektheit im Rahmen der Solvency-II-Umsetzungsaktivitäten und zahlen nicht in die dauerhafte Weiterentwicklung in ein weitestgehend automatisiertes Zielbild ein; bei noch stetig steigenden Anforderungen zur Anzahl und Geschwindigkeit der aufsichtsrechtlichen Meldungen eine denkbar schlechte Voraussetzung für effiziente Melde- und IT-Prozesse.
Die zu implementierende Softwareunterstützung für Solvency II muss vielmehr eine bedarfsgerechte, nachhaltige und flexible Ergänzung sein, die auch übergreifende IT-Aspekte berücksichtigt. Die Software sollte eine automatisierte Datenextraktion (aus unterschiedlichen Quellen), ‑aufbereitung und ‑beladung gewährleisten und gleichzeitig entlang vorgegebener Regeln und Algorithmen Datenqualitätsprobleme identifizieren.
Etablierung einer integrierten Gesamtlösung für Finance-&-Risk-Organisationen
Trotz der hohen Relevanz für die Unternehmenssteuerung ist die Integration von Solvency II in eine Gesamtlösung für Finanzen und Risikomanagement kaum zu beobachten. Da ein gemeinsamer, integrierter Datenhaushalt oftmals weder vorhanden noch geplant ist, existiert stellenweise sogar eine doppelte Datenhaltung für Solvency II. Eine Verzahnung mit Systemen zur ALM-Steuerung oder dem Controlling ist ebenfalls kaum beobachtbar. Folglich reihen sich die Solvency-II-Lösungen in die historisch gewachsene Riege bestehender Insellösungen ein und stiften kaum Mehrwert zur Unterstützung und Erweiterung der Steuerungsprozesse.
Bei Verzicht auf ein integriertes Gesamtkonzept für die Unternehmenssteuerung drohen dauerhafte Mehraufwände für IT und Fachbereiche. Grundlage der nötigen Anpassung bildet das Aufbrechen der bestehenden Informationssilos durch den Aufbau einer integrierten Risiko- und Finanzarchitektur. Das architektonische Ziel liegt darin, dass steuerungsrelevante Informationen in integrierter Form vorliegen, um gleichzeitig mehrere Steuerungseinheiten zu bedienen. Die damit einhergehende Komplexitätsreduzierung gewährleistet konsistente Steuerungsimpulse aus den unterschiedlichen Bereichen und eine effizientere, kostengünstigere Datenbereitstellung und ‑aufbereitung.
Fazit
Die Solvency-II-Implementierungserfahrung zeigt, dass in den Finance-&-Risk-Organisationen Handlungsbedarfe hinsichtlich eines effizienten Daten- und Prozessmanagements bestehen. Die Ausführungen sind in diesem Zusammenhang allenfalls exemplarisch zu verstehen – gleichartige Symptome treten bei nahezu allen neuen Anforderungen und deren Umsetzung in Finance-&-Risk-Organisationen auf. Um künftig den wachsenden Anforderungen aus Aufsichtsrecht und Gesetzgebung gerecht zu werden, sollten betroffene Versicherungsunternehmen daher zielgerichtete Aktivitäten initiieren, die zum Aufbau einer ganzheitlichen und integrierten Finanz- und Risikoarchitektur mit Prozess- und IT-Sicht beitragen.