Brexit zerstört nicht die Finanzmärkte: Eine Ode an die Bankenregulierung

Brexit – das Unvorstellbare! Während sich die meisten Marktkommentare darauf konzentrieren, was bislang geschah, findet kaum Beachtung, was ausgeblieben ist: ein totaler Marktzusammenbruch ähnlich der Finanzmarktkrise von 2008. Nicht unerheblich dafür ist die oft als aufgezwungen empfundene Umsetzung von Bankregulierung. Die Bankregulatoren wurden häufig genug kritisiert – es ist an der Zeit, ihre Arbeit auch zu würdigen!

Ein Freitag, aber kein “Schwarzer Freitag”

Während der frühen Handelsstunden am Freitag, dem 24. Juni, wurden in Folge der Bekanntgabe des Ergebnisses des Brexit-Referendums viele Hundert Milliarden Euro im Europäischen Aktienmarkt ausgelöscht. Banken wurden besonders stark abgestraft; Barclays, Lloyds und RBS verloren ein Viertel ihres Marktwertes. Als Sofortmaßnahme gegen eine sich potential anbahnende Krise kündigte die Bank of England eine zusätzliche Liquiditätshilfe von einer viertel Billion Pfund an. Aber weder waren die Marktreaktionen übermäßig ansteckend (der Deutsche Aktienindex DAX handelte nur knapp 5-6% niedriger, nachdem sich der Markt in den Folgetagen stabilisiert hatte), noch führten sie zu einem Bankensterben oder Zusammenbruch sonstiger Finanzinstitutionen.

Die Stabilität des Bankensektors aus der Sicht der Aufsicht

2013 wurden die Deutschen Banken einem Stress-Test unterzogen, basierend auf einem negativen makroökonomischen Szenario, wie dies von der EZB als Teil einer ganzheitlichen Bewertung gefordert und von der BaFin und der Deutschen Bundesbank umgesetzt wurde. Das negative Szenario zeichnete das Bild eines „globalen Finanzschocks, welcher die reale Wirtschaft schwächt, zu einer erneuten Divergenz der Renditen von Europäischen Staatsanleihen führt und Refinanzierungsprobleme bei Kreditinstitutionen hervorruft.“ Gemäß der Studie wären unter dieser Annahme etwa 30 Milliarden Euro von CET1 Kapital bei allen Deutschen Banken zusammen vernichtet worden.

Und tatsächlich kann Brexit als genau solch ein „globaler Finanzschock“ angesehen werden, welchen die Regulatoren wage antizipiert hatten und gegen den sie die Banken stärken wollten. Zur Illustration, inwiefern die regulatorischen Bemühungen tatsächlich die Banken gestärkt haben, fokussieren wir uns hier auf drei „L“s:

„L“ für Level-3-Aktiva

Eine Kennzeichnung von Aktiva als „Level-3-Assets“ erfolgt, wenn deren Bewertung auf nichtbeobachtbaren Inputparametern beruht und die Bewertung durch negative Veränderungen dieser Parameter gefährdet ist. Beispielhaft seien die Level-3-Assets i.H.v. ca. 30,8 Milliarden Euro der Deutschen Bank (Stand 30.6.2015) erwähnt, die bei Ansetzen alternativer Bewertungsparameter um rund 3,2 Milliarden Euro fallen würden, was einem Wertverlust von rund 10% entspricht oder auch 15% des Marktwertes der Deutschen Bank. (Zufälligerweise fiel der Marktwert der Deutschen Bank am Tag nach dem Brexit-Referendum auch um 3 Milliarden Euro). Einige Banken hatten in weiser Voraussicht bereits ihre Level-3-Assets abgeschmolzen, wie Commerzbanks vergleichbar kleine Asset-3-Position von 5,9 Milliarden Euro verdeutlicht. Der Druck der Regulatoren auf die Banken, Level-3-Assets prominenter zu erklären, hat sicher auch dazu beigetragen, dass Banken vermehrt solche Positionen abgebaut haben. Dies verhinderte, dass als Folge des Brexit-Referendums erneut „Bad Banks“ kreiert werden müssen, in welche angeschlagene und illiquide Positionen hineingeschaufelt werden. In der Zukunft werden (und sollten) Investoren von Banken verlangen, die Transparenz über Level-3-Assets auch weiter zu erhöhen.

„L“ für Leverage

Die Umsetzung strikter Kapitalanforderungen seit der Finanzmarktkrise von 2008 hat die Finanzbranche als ganzes stabilisiert. Zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs hatten sowohl Long Term Capital Management (LTCM) als auch Lehman Brothers einen Hebel (leverage ratio) von ca. 30. Aktien Europäischer Banken haben auch heute noch überwiegend ein hohes Markt-Beta; das bedeutet, dass eine gegebene Marktbewegung sich auf Bankaktien überproportional stark auswirkt. So hat beispielsweise Barclays ein geschätztes Markt-Beta von 2,5 – wenn der Markt z.B. um 10% einbricht, dann würde der erwartete Fall von Barclays-Aktien das 2,5-fache, also 25%, sein. Leverage ist eine tolle Sache, wenn die Zeiten gut sind, aber nicht so sehr, wenn es bergab geht. Genau wie Wells Fargo, eine eher langweile Bank aus Wall-Street-Sicht, inzwischen die weltweit wertvollste Bank geworden ist (gemessen an ihrer Marktkapitalisierung), so werden voraussichtlich auch Europäische Banken mit niedrigen Leverage-Ratios in der Rangliste der Banken aufsteigen, während hochgehebelte Marktteilnehmer das Nachsehen haben.

„L“ für Liquidität

Wenn es eine Erkenntnis gibt, die uns die Lehman-Krise gelehrt hat, dann das Primat der Liquidität („Liquidity is King“). Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise von 2008 haben Zentralbanken die Rolle der Liquiditätsbeschaffer übernommen, indem sie Refinanzierungfazilitäten für verschiedene Aktiva geschaffen haben. Als Ergebnis ist eine hochrelevante Frage für jede Finanzproduktklasse: Zählt es als eine zentralbankfähige Sicherheit im Refinanzierungsprogram der EZB? Es wird sich noch zeigen müssen, wie die Neueinstufung von UK-Instrumenten weg von EU und hin zu EEA (European Economic Area) Aktiva deren Refinanzierungsmöglichkeiten beeinträchtigt, insbesondere wenn sie im Verlauf auch noch von den Ratingagenturen herabgestuft werden sollten. Zweifelsohne hat die Bank of England hier bereits die Notwendigkeit zum Eingreifen gesehen, wie deren Zusage zur Bereitstellung einer viertel Trillion Pfund an Liquidität illustriert. In Folge der verschärften Liquiditätsanforderungen seitens der Bankenaufsicht haben Europäische Banken bereits seit 2008 ihr Liquiditätsrisiko heruntergefahren und damit ihre Abhängigkeit von lebensrettenden Zentralbankeingriffen reduziert.

Ein Dank an die Bankenaufsicht…

Das Brexit-Referendum sollte ein Weckruf an alle Europäischen Banken sein, welche bislang noch immer nicht ihre Widerstandsfähigkeit gegen globale Finanzschocks erhöht haben, indem sie gemäß den drei „L“s handeln: Abschmelzen von Level-3-Assets; Reduzierung von Leverage; Fokussierung auf liquide Aktiva. Wie sich gezeigt hat, war der regulatorische Druck auf Banken zur Implementierung dieser Schritte mehr als nur lästiges Regelwerk und aufsichtsrechtliche Fesseln. Wenn man betrachtet, um wie viel schlimmer der Brexit Banken getroffen hätte, wenn diese noch eine Bilanzstruktur von vor 2008 gehabt hätten, dann sollte der Nutzen der regulatorischen Reformen nun erwiesenermaßen deren Kosten überwogen haben. Banken sollten den Aufsichtsbehörden (leise) danken.

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Prof. Dr. Fidelio Tata/ Autor BankingHub

Prof. Dr. Fidelio Tata

Pro­fessor für Finanz­wissen­schaft International School of Management Berlin

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