Zunächst eine scheinbar banale, aber folgenreiche Grundprämisse: Jegliche (wirtschaftliche) Tätigkeit erfolgt nicht abseits der Gesellschaft, sondern innerhalb ihrer Grenzen. So wirken sich Kundenerwartungen und -ansprüche auf Gewinne der Finanzbranche aus, obgleich erstere gesellschaftlich und zeitgeistabhängig temporärer Natur sind. Auch die Globalisierung wirkt sich als Kontext auf die Lebenswelten der Bürger aus, indem die Komplexität durch internationale Interaktionsräume und globale Interdependenzen zunimmt. Aus Komplexität entsteht größere Unsicherheit darüber, auf welcher Grundlage der einzelne überhaupt noch entscheiden oder handeln soll, weshalb aktuell pauschale Medienkritik zunimmt – oder in Bezug auf die Finanzbranche vermehrt die Frage evoziert wird: Welchem Finanzdienstleister kann ich überhaupt noch (ver-)trauen?
Vertrauen ist das Kerngeschäft der Finanzbranche, da es verspricht, Geld zuzüglich der Komponente Zeit in einen höheren Geldwert zu transformieren. Ferner verfügen Finanzdienstleister über primär langfristige, immaterielle und oftmals kostspielige Produkte, die nicht kurzerhand wie ein Joghurt probiert und auf Grundlage des Geschmacks beurteilt werden können. Deshalb ist Vertrauen innerhalb der Branche wichtiger als in anderen (unternehmerischen) Geschäftsfeldern, da die Qualität für den Kunden nicht unmittelbar erfahrbar ist.
Wie kann nun seitens der Finanzdienstleister darauf reagiert werden?
Für das eigene Image ist es von zentraler Bedeutung, bei strategischen Entscheidungen nicht ausschließlich Symptome wie Vertrauensdefizite, Kundenfluktuation und mangelnde Kundenloyalität zu adressieren, sondern nach dahinterliegenden (strukturellen) Ursachen zu fragen. Der Weg zu einem positiveren wie rentableren Image führt immer über die Gesellschaft, deren Kritikpunkte gegenüber der Branche in einem massenmedialen Zeitalter öffentlich debattiert werden. Ein Momentum verdichteter Aufmerksamkeit und nahezu einstimmiger Anprangerung insbesondere der Banker und Banken, aber auch der gesamten Finanzbranche, war die Finanzkrisendebatte 2008. In dieser Zeit stand das Banken-Image ständig unter Beschuss, während sich viele negative Zuschreibungen während dieser gesamtgesellschaftlichen Krisensituation in die Gedächtnisse zahlreicher Zeitgenossen einbrannten und seitdem Ausdruck im anhaltenden Vertrauenstief der Finanzbranche im Allgemeinen finden.
In meiner jüngsten Veröffentlichung „Banken-Image unter Beschuss“ habe ich eine umfassende Analyse des Diskurshöhepunkts der Finanzkrisendebatte 2008 vorgelegt, die die Frage nach der Kritik gegenüber der Branche umfassend beantwortet. Diese Ergebnisse in die eigene Unternehmenskommunikation und -kultur einfließen zu lassen und somit den beidseitigen Dialog mit den Anspruchsgruppen zu intensivieren, ist ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Schritt aus der aktuellen (Vertrauens-)Krise. So war der Ruf des Bankiers oder des Spekulanten nie der beste, doch ihre stereotype Beschreibung und Wahrnehmung erhielt noch nie so viel negative Aufmerksamkeit wie seit 2008 – und dies wirkt sich auf die Effektivität der eigenen Unternehmenskommunikation aus. Bereits seit dem 13. Jahrhundert kreist das Image der Banken und Banker insbesondere um die zentralen Vorwürfe des Egoismus, der Gier und der Skrupellosigkeit. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts werden gerade durch das neuartige Feindbild des stereotypen Kapitalisten das Attribut der Arroganz und die Kernkompetenz im Bereich gesellschaftlicher Ausbeutung zum Image ergänzt. Während der Finanzkrise 2008 kumulierten diese Charakteristika durch die ständige Wiederholung im massenmedialen Diskurs zu einem Konglomerat eines negativen Branchen- und Berufsgruppenstereotyps. Auf diese Weise nehmen die Bankenbranche und die Banker eine Art „Sündenbock-Rolle“ für die persönliche wie gesellschaftliche Frustration und Wut im Rahmen der Krisenentwicklungen ein. Die Moralisierung stellt die fundamentale Grundlage ihrer medialen Stereotypenkonstruktion zuzüglich ihrer Geschäftspraktiken dar, die teilweise explizit herangezogen, jedoch in den meisten Fällen eher subtil wie implizit erfolgt, weshalb es ihrer Erforschung durch eine wissenschaftliche Diskursanalyse bedarf. Eines bleibt jedoch für alle Rezipienten jederzeit unmissverständlich: Die Banken und Banker seien einseitig an der gegenwärtig Misere Schuld und der (unbeteiligte) Steuerzahler muss nun die Zeche bezahlen.
Über diesen kurzen Überblick hinaus lassen sich in der Veröffentlichung „Banken-Image unter Beschuss“ mitunter eine umfassende Sammlung der diskursiven Argumentationsmuster, die den Diskursverlauf über die Banken und Banker formieren, der rhetorischen Dichotomien, die Analogien, Beschreibungen und Metaphern in ihrem jeweiligen argumentativen Kontext entschlüsseln sowie eine Sammlung der konnotativen Marker finden, die medial subjektive Zuschreibungen transportieren. Im Zentrum aller theoretischen wie praktischen Analysebestrebungen befinden sich stets die Fragen, warum die Finanzkrisendebatte 2008 zu anhaltenden Vertrauensschäden der Finanzbranche geführt hat und wie die Berichterstattung über die Banken und Banker im Verlauf der Krise exakt abgelaufen ist.
Eine geeignete Reaktion auf Kritik besteht wie auch beim Debattieren darin, die Aussagen seines Gegenübers zunächst zu verstehen, um auf die Punkte eingehen oder sie dekonstruierend für sich nutzen zu können, ohne neue Angriffsflächen zu eröffnen. Dieser Logik entsprechend reagiert im Idealfall die Unternehmenskommunikation der Finanzbranche auf vorhandene negative Stereotype und ihre Charakteristika, ohne gleichzeitig neue Kritikpunkte oder negative Stereotype zu evozieren – doch dafür ist im ersten Schritt ein umfassendes Verständnis der Ursachen für das anhaltende Vertrauenstief notwendig.