Im Privatkundengeschäft auf den Kundentrend reagieren

Die Finanzmarktkrise im Jahr 2009 hat bewiesen, dass das Privatkundengeschäft gerade in Krisenzeiten ein wichtiger Stabilisator für Kreditinstitute ist. Dennoch ist die Liste an Herausforderungen hier groß: Welche Antworten können auf mangelnde Profitabilität, erhöhte regulatorische Anforderungen oder die steigende Skepsis der Konsumenten gefunden werden? Lösungsansätze bietet der allgegenwärtige gesellschaftliche Megatrend zur Virtualisierung. Kundeneinstellung und Kaufverhalten werden bereits heute stark durch ihn beeinflusst. Gleichzeitig zeigt er auf, wie die Zukunft des Privatkundengeschäfts aussehen könnte und welche Stellhebel die Banken hierfür bewegen müssen.

Massenhaft Smartphones

Spätestens mit der massenhaften Verbreitung von Smartphones wie dem iPhone ist die Gesellschaft always on. Ob nun Kommunizieren, Informieren oder Einkaufen. Bis 2020 wird die Internetnutzung über alle Altersgruppen hinweg auf ca. 90 % ansteigen. Bereits heute ist die Kommunikation über soziale Netzwerke weiter verbreitet als die E-Mail-Nutzung. Schon 2013 wird sich die Anzahl der weltweit ausgelieferten Smartphones im Vergleich zu 2010 verdoppelt haben und damit die Gesamtzahl von Desktops und Laptops bei weitem übertreffen.

Aktuell sind die „Digital Natives“ oder „Kanalzapper“ in Europa mit 80 Millionen Menschen die zweitgrößte Generation nach den „Babyboomern“. Dieser Trend zur Virtualisierung hat für Banken erhebliche Konsequenzen: Durch ein verändertes Abschlussverhalten werden im Jahr 2020 nach zeb/-Berechnungen bis zu 95 % der Erträge unter Nutzung des Internets entstehen.

Multikanal-Banking

Doch welches Banking-Erlebnis empfinden „Kanalzapper“ heute? Das viel zitierte Multikanal-Banking ist immer noch eher Zielkonzept als Wirklichkeit: ein Gespräch im virtuellen Büro außerhalb klassischer Öffnungszeiten? Die papierlose Baufinanzierung? Bequemes Zappen und konsistente Informationen ohne Limits? – ein Wunschgedanke. Viel Papier, Schwierigkeiten beim Kanalzappen und die Anreise zur Beratung in einer Filiale, die vor fünf bis zehn Jahren schon genauso ausgesehen hat – das ist dagegen wohl eher Realität. Die Interaktion mit dem Kunden muss sich folglich ändern: Dabei sollte sie erstens am Kundenwunsch ansetzen, zweitens alle relevanten Kanäle einbinden und drittens die Ressourcen in die aus Kundensicht optimale Verwendung steuern.

Die Intelligenz im Privatkundengeschäft liegt künftig mehr denn je im CRM, also im Wissen, zu welchem Zeitpunkt welcher Kunde über welchen Kanal mit welcher Service- oder Produktlösung bedient werden möchte. Wichtig ist, dass der Kunde seinen Kanal und die Beratungsintensität frei wählen kann. Die Kundenorientierung in Kommunikation und Beratung setzt eine genaue Kenntnis der vom Kunden bevorzugten Kontaktpunkte inklusive seines Zapping-Verhaltens voraus. Auch hier gilt: Je präziser die Kenntnis über individuelle Kaufverhaltensmuster, desto wahrscheinlicher der nachhaltige Erfolg im Wettbewerb.

Durchgehend virtuell

Eine konsequente Virtualisierung beinhaltet, dass der Kunde für jeden Bedarf Produkte in allen Vertriebskanälen erwerben kann. Information, Online-Beratung und Abschluss sind demzufolge neben der Filiale auch im Call Center und im Internet sicherzustellen. Das zunehmende Online-Banking-Vertrauen und die Einführung rechtlich akzeptierter elektronischer Signaturen werden diese Entwicklung unterstützen. Zukünftig wird der Aufwand für die Legitimation via Post-Ident bzw. via Unterschrift in der Filiale nicht mehr erforderlich sein, aus Kundensicht ein echter Vorteil.

Interaktion via Internet

Die Interaktionsmöglichkeiten des Web 2.0 machen das Internet auch für den Beratungsprozess immer attraktiver. Die persönliche Beratung im virtuellen Büro per Chat bzw. Videotelefonie oder die fehlerfreie Beratung durch Guided-Selling-Systeme sind hier nur einige Ansatzpunkte. Zunehmend gewinnt auch die Kommunikation „Kunde zu Kunde“ via Foren, standardisierte Produktbewertungen oder soziale Netzwerke an Bedeutung. Auch wenn dies Risiken der „negative publicity“ birgt, gilt: Dabeisein und gezielt Steuern ist für Anbieter alternativlos.

Die veränderten Kundenbedürfnisse machen auch im klassischen Filialgeschäft einen Umbau erforderlich, ohne die Anzahl der Kontaktpunkte zu reduzieren. Es ist vielmehr eine Differenzierung erforderlich, die Kundenwünsche und Kosten berücksichtigt und die regionale Präsenz optimiert. Servicepoints, Shop-in-Shop-Konzepte, Kleinfilialen mit Video-Anbindung an Spezialisten sowie Großfilialen mit multimedialen Selbstbedienungsareas sind Vor-Ort-Konzepte der Zukunft: kundenorientiert, kosteneffizient und servicestark.

Konsequent steuern

Das heutige Multikanalerlebnis ist das Ergebnis der schrittweisen Hinzunahme weiterer Vertriebskanäle zum klassischen Filialvertrieb (Filiale-add-on-Modell) oder aber das Ergebnis voneinander isoliert/eigenständig gesteuerter Vertriebskanäle (Stand-alone-Modell). Zukünftig werden über 50 % des Ertragspotenzials mit Privatkunden nur durch das intelligente Zusammenspiel aller Vertriebskanäle generiert werden können.

Um dieses Zusammenspiel zu steuern, ist eine hohe Transparenz über den Beitrag der einzelnen Kanäle zur Ertrags- und Kostenentwicklung unabdingbar. Hierbei dürfen nicht nur Abschlüsse berücksichtigt werden, sondern alle Kontaktpunkte von der Kundenansprache bis zum After-Sales-Prozess. Um Silodenken und Kannibalisierung zu vermeiden, sollte die Gesamtleistung der Managementverantwortlichen insbesondere anhand ihrer Fähigkeit gemessen werden, die Umsetzung des Multikanalvertriebs zu fördern.

Strategische Chance

Das richtige Produkt im richtigen Moment über den geeigneten Kanal anzubieten, ist für Banken sowohl Herausforderung als auch strategische Chance. Der hier skizzierte Ansatz zeigt, dass ein strategisches Umdenken mit Fokus auf die Kundenwünsche sowohl die Erträge durch eine adäquatere Kundenbearbeitung deutlich steigern kann als auch die Kosten durch die Nutzung effizienterer Kanäle signifikant senken kann. First Mover werden daher profitabel in einem Bereich agieren können, in dem das Vermitteln eines integrierten und virtualisierten Banking-Erlebnisses für viele Banken aktuell immer noch unerreichbar scheint.

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Dr. Fabian Kopei/ Autor BankingHub

Dr. Fabian Kopei

Senior Referent DZ BANK

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